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Cabo De Gata

Cabo De Gata

Titel: Cabo De Gata
Autoren: Eugen Ruge
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und Einheimische. Ich erinnere mich an die üblichen Wo-kommst-du-her-und-was-machst-du-Gespräche. Und ich erinnere mich, dass ich mir einmal, an einem Sonnabend, katzenfrei nahm und der Einladung eines, ich glaube: kanadischen Paares folgte, das ein großes, zweistöckiges Ferienhaus in Cabo gemietet hatte. Ich erinnere mich an eine nette Party in diesem Haus, an das aufgeregte englisch-spanische Kauderwelsch, an einen erstaunlich virtuosen Flamenco-Gitarristen mit Boxerstatur und Boxerhänden, der ausschließlich holländisches Dosenbier trank, das er partout für das beste der Welt halten wollte, und daran, dass der Kellner mit dem Dreitagebart, den ich in jenem Café auf der Promenade brennende Würstchen hatte servieren sehen, Fotos von seinen vier mal drei Meter großen Ölgemälden herumreichte. Und ich erinnere mich, dass mir das alles sehr fern vorkam. Dass ich, obwohl ich ja dabei war, Sehnsucht nach dem Dabeisein verspürte.
    An allen anderen Tagen ging ich pünktlich um acht zum Briefkasten, holte die Katze ab, bis irgendwann – nach zehn oder zwölf oder vierzehn Tagen – jener, ich nenne es mal: Unfall passierte.
    Ich erinnere mich, wie sie sich auf dem gegenüberliegenden Bett räkelte, ihren Bauch präsentierend, sodass man die Bewegungen der Jungen schon beinahe sah ; ich erinnere mich an das unbändige Verlangen, dieses helle, daunenweiche Bauchfell zu berühren, und nicht nur zu berühren, ich wollte das Stoßen und Rumoren der Jungen, das meine Füße schon kannten, mit den Händen erspüren.
    Die Katze wehrte mich sanft mit der Tatze ab, aber ich ließ mich nicht abbringen. Ich fand, dass es mir zustand nach so viel Fürsorge, nach so langer Zeit, nach soundso vielen Katzenfutterdosen, die ich mit Schamgefühlen durch die Supermarktkasse gebracht hatte . Ich fand, dass ich – gewissermaßen als Pflegevater der ungeborenen Jungen – ein Recht darauf hatte, ihren schwangeren Bauch zu berühren, und hielt ihre Tatze fest, zuerst sanft, dann, als der Gegendruck zunahm, fester. Die Katze mauzte zweimal. Und dann passierte es.
    Heute, fast zwanzig Jahre danach (und da ich seit langem selbst Katzen habe), weiß ich, was die Krallen einer Katze anrichten können. Und daher weiß ich, dass das, was ich damals davontrug, kaum mehr als ein Kratzer war, womöglich sogar bloß die Folge eines Reflexes, den man bei Katzen zuweilen auslöst, wenn man sie auf der Bauchseite streichelt. Sie hatte mich zweimal gewarnt. Und sie hat mich geschont. Und wahrscheinlich habe ich vor lauter Scham verdrängt, was genau in den nächsten Sekunden passierte. Schlug ich sie? Schleuderte ich sie vom Bett?
    Ich erinnere mich an einen gefährlich klingenden Laut, den die Katze von sich gab. Dann sehe ich sie, trotz ihres gewaltigen Bauchs, auf den Sims des kleinen Badezimmerfensters springen – und weg war sie.
    Drei oder vier Tage lang ging ich abends zum Briefkasten, einmal sogar mit der Katzenfutterdose in der Hand. Ich streunte bis in die Nacht durch die Brachen. Ich sprach aus der Ferne mit den Schatten, die auf den Umrissen der Mülltonnen auftauchten. Ich ging kreuz und quer durch die Gassen und versuchte den Gedanken abzuwehren, dass ich sechs Katzenjunge umgebracht haben könnte.
    Schließlich kippte ich alles, was noch in der Katzenfutterdose war, in den gläsernen Aschenbecher und stellte ihn außen auf den Sims meines Zimmerfensters.
    Ich erinnere mich, wie ich quer auf meinem Bett lag, dem Fenster zugewandt, die Füße auf der gegenüberliegenden Matratze. Es kommt mir vor, als hätte ich die ganze Nacht so gelegen und den Schemen zugeschaut, die lautlos hinter dem Fensterglas auftauchten. Die Nähe zum Haus schien den Katzen verdächtig zu sein. Immer zeigten sie sich nur kurz, fraßen hastig, immer wieder nach dem flackernden Kerzenlicht in meinem Zimmer blickend – und verschwanden wieder. Eine dürre schwarzweiße ist mir in Erinnerung; eine Katze, heute würde ich sagen: ein Kater mit zur Hälfte abgerissenem Schwanz, der mir auf einer Brache schon einmal begegnet war; eine üppig gescheckte Diva mit Halsband (gab es hier tatsächlich Menschen, die Katzen hielten?); eine vollkommen schwarze, von der kaum mehr als die funkelnden Augen zu sehen waren; eine junge graugetigerte, die der auf der Katzenfutterdose glich; schließlich sogar eine rotgetigerte. Aber es hätte nicht einmal der weißen Schwanzspitze bedurft, um zu erkennen, dass nicht sie es war.
    Nicht diese Katze. Nicht die, nach der ich, wenn er
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