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Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc
Autoren: Admin
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tief in seinen Muskeln vergraben waren.
    »Tötet mich nic ht«, sagte er. »Ich habe einen langen Weg hinter mir, um hierher zu gelangen.«
    »Hast du das gehört, Jackie?« sagte Peloquin, der sich mit seinen vier Gliedmaßen vom Boden abstieß, um auf -
    recht vor Boone zu stehen. Seine Augen, die sich jetzt auf einer Ebene mit denen von Boone befanden, waren hell-blau. Sein Atem war so heiß wie die Luft aus einem offenen Feuerofen.

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    »Was für eine Art Bestie bist du denn?« wollte er wissen. Die Verwandlung war so gut wie vollendet. Der Mann unter dem Monster war nicht bemerkenswert. Vierzig, schlaksig, blasse Haut.
    »Wir sollten ihn nach unten bringen«, sagte Jackie.
    »Lylesburg wird ihn sehen wollen.«
    »Möglich«, sagte Peloquin. »Aber ich glaube, wir würden seine Zeit verschwenden. Das ist ein Natürlicher, Jackie. Ich kann das riechen.«
    »Ich habe Blut vergossen...« murmelte Boone. »Habe elf Menschen umgebracht.«
    Die blauen Augen betrachteten ihn abschätzend. Sie drückten Belustigung aus.
    »Das glaube ich nicht«, sagte Peloquin.
    »Das steht uns nicht zu«, warf Jackie ein. »Du kannst ihn nicht beurteilen.«
    »Ich habe Augen im Kopf, oder nicht?« sagte Peloquin.
    »Ich erkenne einen reinen Mann, wenn ich einen sehe.«
    Er deutete mit dem Finger auf Boone. »Du gehörst nicht zur Nachtbrut«, sagte er. »Du bist Fleisch. Du bist du.
    Fleisch für die Bestie.«
    Während er sprach, verschwand die Belustigung aus seinem Gesicht und wurde von Gier ersetzt.
    »Das können wir nicht machen«, protestierte die andere Kreatur.
    »Wer erfährt es schon?« sagte Peloquin. »Wer wird es/e erfahren?«
    »Wir brechen das Gesetz.«
    Das schien Peloquin gleichgültig zu sein. Er entblöß te die Zähne, und dunkler Rauch quoll aus den Öff-nungen und stieg vor seinem Gesicht empor. Boone wußte, was als nächstes kommen würde. Der Mann atmete aus, was er vor Augenblicken inhaliert hatte: seine Echsenpersönlichkeit. Die Proportionen seines Kop-51

    fes veränderten sich bereits andeutungsweise, als würde sich der Schädel unter der Fleischhülle zerlegen und neu ordnen.
    »Ihr könnt mich nicht töten«, sagte er. »Ich gehöre zu euch.«
    Kam da ein Nein aus dem Rauch vor ihm? Wenn ja, ging es in dem Verwandlungsprozeß verloren. Keine weiteren Diskussionen mehr. Die Bestie hatte die Absicht, ihn zu fressen...
    Er verspürte stechende Schmerzen im Bauch und sah nach unten, wo sich die Krallenhand von seinem Fleisch gelöst hatte. Der Griff um seinen Hals wurde gelöst, und die Kreatur hinter ihm sagte:
    »Geh!«
    Er mußte sich nicht lange überreden lassen. Bevor Peloquin seine Rückverwandlung vollenden konnte, befreite sich Boone aus Jackies Umarmung und lief weg. In der Verzweiflung des Augenblicks verlor er jeglichen Orientierungssinn, den er gehabt haben mochte, eine Verzweiflung, der der Aufschrei der Wut von der hung-rigen Bestie hinter ihm zusätzliche Nahrung lieferte, sowie die – beinahe sofortigen, schien es – Laute der Verfolgung.
    Der Friedhof war ein Irrgarten. Boone lief blind, duckte sich nach rechts und links, wo immer sich eine Öffnung darbot, aber er mußte nicht über die Schulter sehen, um festzustellen, daß der Verschlinger ihn einholte. Während er lief, hörte er sein Urteil im Geiste: Du gehörst nicht zur Nachtbrut. Du bist Fleisch.
    Fleisch für die Bestie.
    Diese Worte waren ein schlimmerer Schmerz als der in seinen Beinen und Lungen. Nicht einmal hierher gehörte er, zu den Monstern von Midian. Und wenn nicht hierher, wohin dann? Er lief, wie Beute schon immer gelaufen war, 52

    wenn ihr die Hungrigen auf den Fersen waren, aber es war ein Rennen, das er nicht gewinnen konnte.
    Er blieb stehen. Er drehte sich um.
    Peloquin war fünf oder sechs Meter hinter ihm, sein Körper war noch menschlich, nackt und verwundbar, aber sein Kopf war völlig der einer Bestie, der Mund breit und von dornengleichen Zähnen gesäumt. Auch er blieb stehen, weil er vielleicht damit rechnete, Boone würde eine Waffe ziehen. Als keine zum Vorschein kam, streckte er seinem Opfer die Arme entgegen. Hin -
    ter ihm tauchte stolpernd Jackie auf, und Boone sah den Mann zum ersten Mal. Oder waren es Männer? Sein unförmiger Kopf hatte zwei Gesichter, deren Züge beide vollkommen entstellt waren; schielende Augen, die überall hinsahen, nur nicht nach vorne, Münder, die zu einer einzigen Öffnung verschmolzen, Nasenschlitze ohne Knochen. Das war das Gesicht eines Fötus aus dem
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