Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc
Autoren: Admin
Vom Netzwerk:
Einbruch der Dämmerung auch noch da sein.
    Er suchte sich ein abseits gelegenes Bett zwischen zwei Gräbern und legte den Kopf nieder. Die Frühlingstriebe des Grases rochen süß. Er hatte auf ungleich schlechteren Kissen geschlafen, und er sollte es wieder tun.

    47

    V
    Ein anderer Affe
    Der Laut eines Tieres weckte ihn, sein Knurren fand einen Weg in Träume vom Fliegen und holte ihn auf die Erde zurück. Er machte die Augen auf. Er konnte den Hund nicht sehen, aber er hörte ihn immer noch. War er hinter ihm? Die Enge der Grabmale warf Echos hin und her. Er drehte sich sehr langsam um und sah über die Schulter.
    Die Dunkelheit war unergründlich, konnte aber nicht völlig eine schwarze Bestie verbergen, deren Art unmöglich zu bestimmen war. Doch der drohende Laut aus seinem Hals ließ keine Fehlinterpretation zu. Dem Klang seines Knurrens nach zu urteilen, gefiel ihm seine eingehende Betrachtung nicht.
    »He, Junge...« sagte er leise, »schon gut.« Er wollte sich mit knirschenden Gelenken aufrichten, da er wußte, wenn er auf dem Boden blieb, konnte ihm das Tier mü-
    helos an den Hals gehen. Weil er auf dem kalten Boden gelegen hatte, waren seine Glieder ungelenk geworden; er bewegte sich wie ein Rheumakranker. Vielleicht hielt das das Tier von einem Angriff ab, denn es beobachtete ihn einfach, die weißen Sicheln seiner Augen – die einzigen Einzelheiten, die er erkennen konnte – wurden größer, als der Blick ihm beim Aufstehen folgte. Als er auf den Füßen stand, drehte er sich zu der Kreatur um, die auf ihn zuzugehen begann. Etwas an ihrem Gang erweckte den Eindruck in ihm, als wäre sie verwundet. Er konnte hören, wie sie ein Bein hinter sich herzog; der Kopf war gesenkt, der Gang ungleichmäßig.

    48

    Worte des Trostes lagen ihm auf der Zunge, als sich ein Arm um seinen Hals legte und Worte und Atem gle ichermaßen erstickte.
    »Eine Bewegung, und ich schlitze dich auf.«
    Mit dieser Drohung kam ein zweiter Arm um seinen Körper, und Finger gruben sich mit solcher Heftigkeit in seinen Magen, daß er nicht daran zweifelte, der Mann würde seine Drohung mit bloßen Händen in die Tat umsetzen.
    Boone atmete flach. Selbst diese winzige Bewegung führte dazu, daß der Todesgriff um Hals und Unterleib fester wurde. Er spürte, wie ihm Blut am Bauch hinab und in die Jeans lief.
    »Wer, zum Teufel, bist du?« wollte die Stimme wissen.
    Er war ein schlechter Lügner; die Wahrheit war sic herer.
    »Mein Name ist Boone. Ich kam hierher... kam hierher, um Midian zu finden.«
    Ließ der Griff um seinen Bauch etwas nach, als er sein Ansinnen aussprach?
    »Warum?« wollte jetzt eine zweite Stimme wissen.
    Boone brauchte nicht mehr als einen Herzschlag, um sich darüber klarzuwerden, daß die Stimme aus den Schatten vor ihm kam, wo die verwundete Bestie stand.
    Tatsächlich sogar von der Bestie.
    »Mein Freund hat dir eine Frage gestellt«, sagte die Stimme an seinem Ohr. »Antworte ihm.«
    Boone, der nach dem Angriff desorientiert war, richtete den Blick wieder auf das, was im Schatten lauerte, und zweifelte an seinen Augen. Der Kopf dessen, der die Frage gestellt hatte, war nicht von fester Materie; er schien die üppigen Gesichtszüge beinahe zu inhalieren, ihre Substanz wurde dunkler und floß durch Augenhöhlen und Nasenlöcher und Mund in sich selbst zurück.

    49

    Sämtliche Gedanken an die Gefahr, in der er schwebte, verschwanden; er wurde von einer Hochstimmung ergrif-fen. Narcisse hatte nicht gelogen. Vor ihm lag die verwandelnde Wahrheit seiner Worte.
    »Ich bin gekommen, um unter euch zu sein...« sagte er und beantwortete damit die Frage des Wunders. »Ich bin gekommen, weil ich hierher gehöre.«
    Eine Frage ging aus dem leisen Lachen hinter ihm hervor.
    »Wie sieht er aus, Peloquin?«
    Das Ding hatte sein Bestiengesicht hinuntergeschluckt.
    Darunter befanden sich menschliche Züge – auf einem Körper, der mehr Reptil als Säugetier war. Das Glied, das er hinter sich hergezogen hatte, war ein Schwanz; sein verwundeter Gang war das Schleichen einer geduckten Eidechse. Auch der Körper befand sich im Wandel, als sich das Zittern der Veränderung die hervorstehende Wirbelsäule hinabbewegte.
    »Sieht wie ein Natürlicher aus«, antwortete Peloquin.
    »Nicht, daß es viel bedeuten würde.«
    Warum konnte sein Angreifer das nicht selbst sehen, überlegte Boone.
    Er betrachtete die Hand auf seinem Bauch. Sie hatte sechs Finger, die keine Nägel besaßen, sondern Krallen, die jetzt einen Zentimeter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher