Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc
Autoren: Admin
Vom Netzwerk:
gehüllt war. Er roch Deckers Eau de Cologne; hörte Deckers Herzschlag; nahm Deckers Schweiß in der Luft zwischen ihnen wahr.
    »So«, sagte der Doktor. »Hier sind sie also.«
    Leute versammelten sich auf der sternenbeschienenen Straße. Mit übernatürlich scharfen Ohren hörte Boone die Laute nervösen Flüsterns, von Winden, die aufgewühlte Eingeweide freisetzen, von Waffen, die gespannt wurden, um den Verrückten zur Strecke zu bringen, sollte er versuchen, ihnen zu entkommen.
    »Wie haben Sie mich gefunden?« sagte er.
    »Narcisse, nicht?« sagte Decker. »Ihr Freund im Krankenhaus?«
    »Ist er tot?«
    »Ich fürchte, ja. Er starb kämpfend.«
    Decker kam einen Schritt ins Haus.
    »Sie sind verletzt«, sagte er. »Was haben Sie sich angetan?«
    Etwas hielt Boone von einer Antwort ab. Waren die Geheimnisse von Midian so bizarr, daß man ihm ohnedies nicht glauben würde, war das der Grund? Oder ging ihre Natur Decker nichts an? Letztes sicherlich nicht. Deckers Hingabe, das Monströse zu verstehen, stand außer Zweifel. Wer wäre besser geeignet, die Offenbarung mit ihm zu teilen? Dennoch zögerte er.
    »Sagen Sie es mir«, wiederholte Decker. »Wie sind Sie zu der Verletzung gekommen?«
    »Später«, sagte Boone.
    »Es gibt kein später. Ich glaube, das wissen Sie.«
    »Ich werde überleben«, sagte Boone. »Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht. Wenigstens tut es nicht weh.«
    »Ich meine nicht die Verletzung. Ich meine die Polizei.
    Sie warten auf Sie.«
    »Ich weiß.«

    57

    »Und Sie werden nicht friedlich mitkommen, nicht?«
    Boone war nicht mehr sicher. Deckers Stimme erinnerte ihn so sehr daran, in Sicherheit zu sein, daß er beinahe glaubte, es könne wieder möglich sein, wenn der Doktor es so haben wollte.
    Aber jetzt sprach Decker nicht mehr von Sicherheit.
    Nur von Tod.
    »Sie sind ein mehrfacher Mörder, Boone. Verzweifelt.
    Gefährlich. Es war schwer, Sie überhaupt zu überzeugen, mich in Ihre Nähe zu lassen.«
    »Ich bin froh, daß Sie es getan haben.«
    »Ich auch«, antwortete Decker. »Ich wollte die Möglichkeit, Lebewohl zu sagen.«
    »Warum muß es so sein?«
    »Das wissen Sie.«
    Er wußte es nicht; eigentlich nicht. Er wußte nur mit wachsender Überzeugung, daß Peloquin die Wahrheit gesagt hatte.
    Du gehörst nicht zur Nachtbrut, hatte er gesagt.
    Und das stimmte; er war unschuldig.
    »Ich habe niemanden umgebracht«, murmelte er.
    »Ich weiß das«, antwortete Decker.
    »Darum konnte ich mich an keines der Zimmer erinnern. Ich war nie dort.«
    »Aber jetzt erinnern Sie sich«, sagte Decker.
    »Nur weil...« Boone verstummte und sah den Mann im anthrazitfarbenen Anzug an. »...weil Sie es mir ge-zeigt haben.«
    »Weil ich es Ihnen beigebracht habe«, verbesserte Decker ihn.
    Boone sah ihn weiter an und wartete auf eine Erklä -
    rung, die nicht mit der in seinem Kopf übereinstimmte. Es konnte nicht Decker sein. Decker war Vernunft. Decker war Ruhe.

    58

    »Heute nacht wurden in Westlock zwei Kinder ermordet«, sagte der Doktor. »Man gibt Ihnen die Schuld.«
    »Ich war nie in Westlock«, protestierte Boone.
    »Aber ich«, antwortete Decker. »Ich habe dafür gesorgt, daß sie die Bilder sehen, diese Männer da draußen.
    Kindsmorde sind das Allerschlimmste. Ich lasse Sie besser hier sterben, als Sie ihnen zu übergeben.«
    »Sie?« sagte Boone. »Sie haben es getan?«
    »Ja.«
    »Alle?«
    »Und noch mehr.«
    »Warum?«
    Decker überlegte einen Augenblick.
    »Weil es mir Spaß macht«, sagte er gleichgültig.
    Er sah immer noch so geistig gesund aus, mit seinem maßgeschneiderten Anzug. Nicht einmal sein Gesicht, das Boone mittlerweile deutlich sehen konnte, enthielt einen sichtbaren Hinweis auf den Wahnsinn darunter.
    Wer, der den blutigen Mann und den sauberen sah, hätte Zweifel daran haben können, wer der Wahnsinnige und wer sein Heiler war? Aber der Schein konnte trügen. Es war nur das Monster, das Kind von Midian, das tatsächlich sein Fleisch verwandeln konnte, um sein wahres Selbst zu zeigen.
    Decker zog eine Pistole aus der Innentasche seines Jacketts.
    »Sie haben mir eine Waffe gegeben«, sagte er. »Falls Sie die Beherrschung verlieren.«
    Seine Hand zitterte, aber auf diese Entfernung konnte er kaum danebenschießen. In wenigen Augenblicken würde alles vorbei sein. Die Kugel würde fliegen, und er würde tot sein, und so viele Geheimnisse waren unge-klärt. Die Verletzung; Midian; Decker. So viele Fragen, die er nie beantworten würde.

    59

    Es gab keinen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher