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BY704 - Der Rächer aus Sing-Sing

BY704 - Der Rächer aus Sing-Sing

Titel: BY704 - Der Rächer aus Sing-Sing
Autoren: Der Rächer aus Sing-Sing
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ließ den Dienstrevolver sinken. Es gab keinen Grund, den Mann festzunehmen. Er hatte mich nicht einmal bedroht. Und daß er ein bezahlter Killer des Syndikats war – zumindest bis heute konnten wir ihm nicht beweisen.
    Schweigend sah ich zu, wie er die schwere Maschine bestieg und den Motor aufbrüllen ließ. Seine Finger zogen die Brille über die Augen. Dann brauste das Motorrad davon und verschwand hinter der nächsten Ecke.
    Nachdenklich blickte ich dem Mann nach, der sich Harry Schreiber nannte.
    Er war hierhergeschickt worden, um mich umzubringen. Er hatte es nicht getan. Aber ich konnte nicht behaupten, daß ich sonderlich erleichtert war. Ich hatte eher ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend.
    Harry Schreiber hatte einen Mordauftrag des Syndikats nicht ausgeführt. Warum?
    Ich ließ den 38er in der Schulterhalfter verschwinden und ging los, um Phil von meinem merkwürdigen Erlebnis zu berichten. Mein Freund saß in der Portierloge und hatte seine Waffe griffbereit neben sich liegen. Er atmete erleichtert auf, als er mich kommen sah. Aber mir war ganz und gar nicht fröhlich zumute.
    Ich ahnte, daß uns ein Höllentanz bevorstand. .
    ***
    Der Mann hieß Kitt Hillary.
    Vor 20 Jahren war sein Name in New York berühmt und gefürchtet gewesen. Heute kannte ihn niemand mehr, denn Kitt Hillary hatte sich verändert.
    Er war erst knapp 50 Jahre alt, aber das schneeweiße Haar und der Stock, auf den er sich seines verkrüppelten rechten Beines wegen stützen mußte, ließen ihn älter erscheinen. Er war ein schmaler, mittelgroßer Mann, dessen Körper nur aus Knochen und Sehnen zu bestehen schien. Das von Längsfalten zerfurchte Gesicht mit den hellen Augen und den ausgeprägten Wangenknochen zeigte eine krankhafte Blässe.
    Kitt Hillary hatte die letzten 20 Jahre seines Lebens vorwiegend in einem geschlossenen Raum verbracht. Daher seine Blässe. In einem Raum, genau gesagt, der vergitterte Fenster hatte und zu einem düsteren, von hohen Mauern umgebenen Gebäudekomplex gehörte. Kitt Hillary hatte 20 Jahre Sing Sing hinter sich.
    Seit drei Tagen war er in Freiheit.
    Als er das kleine Waffengeschäft betrat, bewegte er sich ruhig und sicher und blickte sich gelassen in dem dunklen Laden um. Nur die Knöchel der Hand, mit der er sich auf den Stock stützte, waren weiß vor Anstrengung. Er war es noch nicht gewohnt, lange Strecken zu gehen.
    Der junge Verkäufer hielt den Mann in dem korrekten grauen Anzug für einen vorzeitig pensionierten Buchhalter oder etwas Ähnliches. Deshalb zog er erstaunt die Augenbrauen hoch, als der alte Herr auf einen sechsschüssigen 38er Revolver zeigte.
    Er räusperte sich befremdet. »Haben Sie einen Waffenschein, Sir?« erkundigte er sich.
    Wortlos legte Kitt Hillary das verlangte Papier auf die Ladentheke. Der junge Verkäufer nestelte eine Brille hervor und studierte den Wisch.
    In Sing Sing sitzen Leute, die sich vorzüglich auf die Nachahmung von amtlichen Stempeln verstehen.
    Auch diesmal hatten sie ausgezeichnete Arbeit geleistet. Der Verkäufer hegte nicht den leisesten Verdacht, daß der Waffenschein gefälscht sein könne. Hillary bekam den Revolver ohne weitere Formalitäten und auch die nötige Munition dazu. Während der junge Mann die Sachen einpackte, setzte er zu einem weitläufigen Vortrag über die richtige Pflege für den Revolver an.
    »Danke«, sagte Hillary knapp, »ich weiß damit umzugehen.«
    »Wenn das so ist – dann auf Wiedersehen, Sir.«
    »Auf Wiedersehen.« Hillary humpelte hinaus, die rechte Hand auf den Stock gestützt, in der linken das Päckchen. Eilfertig rannte der Verkäufer durch den Raum, um dem offenbar hilflosen alten Mann die Tür zu öffnen. Ein knappes Kopfnicken dankte ihm.
    Vor der Ladentür blieb Hillary einen Augenblick stehen. Eine seltsame Verwandlung ging in ihm vor.
    Kitt Hillary sah plötzlich nicht mehr aus wie ein pensionierter Buchhalter. Es war, als habe sich in seinem Körper eine unsichtbare Stahlsaite gespannt. Sekundenlang wirkte sein blasses zerfurchtes Gesicht wie aus Stein gemeißelt. Mit schmalen Augen betrachtete er das Verkehrsgewühl vor sich auf der Straße.
    Und in diesen Augen stand tödliche Entschlossenheit.
    ***
    Die Party war in vollem Gang, als ich kam.
    Die Villa des Industriellen John Kingston-West erstrahlte in hellstem Licht. Bunte im Wind schaukelnde Lampions zeigten mir, daß sich die Festlichkeit auch auf den weitläufigen Garten ausdehnte – kein Wunder, da seit Tagen schwüle Hochsommerhitze
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