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Butter, Brot und Laeusespray

Butter, Brot und Laeusespray

Titel: Butter, Brot und Laeusespray
Autoren: Wigald Boning
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schnurstracks in mentale Krisen führen. Das vorliegende Beispiel suggeriert dem Einkäufer überdies, dass er nicht nur schnöde einkauft, sondern shoppt. Shopping – da schwingt sogleich kosmopolitaner Genuss mit, man denkt an Paris Hilton, nicht an Tante Emma, und bereits der blanke Vordruck zaubert der Hausfrau ein Lächeln ins Gesicht. Dieser Zettel stammt übrigens aus der Schweiz, was sich allerdings nicht unmittelbar in der Produktauswahl äußert. Lediglich das stilisierte Bergpanorama verrät die helvetische Herkunft – an der unteren Zettelkante sehen wir, von links nach rechts, Eiger, Mönch und Jungfrau, alle drei vergletschert.

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    Wie fast jeder Vorteil hat auch der des Einkaufszettel-Vordrucks unweigerlich Schattenseiten: Er lässt in der Regel nur wenig Platz für die eigentlich einzukaufenden Produkte. Ferner nimmt das Druckwerk dem Konsumenten die Einordnung der Notizen ab und erspart ihm so Gehirnschmalzverschwendung, jedoch droht dadurch langfristig die geistige Entmündigung. So wie der Navi-Nutzer über kurz oder lang das Kartenlesen verlernt oder der Mikrowellenreiter die Kochkunst, so wird der Freund von Pre-printed-Listen irgendwann deren Sklave. Nichts kann er notieren ohne den passenden Block, nicht das kleinste Böhnchen weiß er auf einen stinknormalen Papierfetzen zu bannen, und sind die Vordrucke eines Tages aus, muss er verhungern. Die Lebensklügsten unter uns, jene, die instinktiv die Gefahr erahnen, dabei jedoch nicht auf Komfort verzichten wollen, schreiben ihre Headline selbst. Auf diesem Do-it-yourself-Beispiel steht sogar «Einkaufslist». Ohne e. Listig. Eine Versorgungsfinte. Schwer zu sagen, worauf die Verfasserin hinauswill. Die Verfasserin? Es handelt sich bei der Verfasserin doch um eine «sie», oder? Ich habe in den allermeisten Fällen den Eindruck, die Handschrift verrate das Geschlecht. Wie oft habe ich in der Schule zum Sitznachbarn gelinst, auf der Suche nach Inspiration! Die vorliegende List erinnert mich an Britta Z., achte Klasse. Geht es Ihnen, liebe Leser, so wie mir? Tausendfaches Abschreiben könnte mein Gespür für den Zusammenhang zwischen Handschrift, Geschlecht und Intellekt entwickelt haben.
    Neben der handgeschriebenen Titelzeile verdient auch der Vordruck «Memo» unsere Beachtung. Sicher handelt es sich um Reklame für diesen berühmten Tiefseetrickfilm «Findet Memo» . (Bitte entschuldigen Sie mein zeitweiliges Gewitzel. Ist nicht böse gemeint; ich möchte auf diese Weise lediglich jene Leser bei Laune halten, die mit meinem Thema gar nichts anfangen können und lediglich aus Versehen oder gezwungenermaßen zwischen die Buchdeckel geraten sind, etwa, weil dieses Buch zur Schullektüre geworden ist).

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    Die Wahl des Listenuntergrundes liefert in jedem Fall wertvolle Hinweise auf den sozialen Hintergrund des Verfassers. Hier ein typischer Zettel aus dem Berliner Diplomatenmilieu. Der Eintrag «4 × Kalbsschnitzel» lässt erahnen, wie schwer die Last des Amtes auf den Schultern eines Militärattachés ruht. Je asymmetrischer die Kriegsführung, desto verlockender der Griff zur Eiweißkeule, je diffuser die Bedrohung, desto konkreter die Freude am Frustfraß. Unverkennbar ist das diplomatisch geschulte Bestreben dieses Gourmets, sich am Verhandlungs- wie am Esstisch verschiedene Optionen offenzuhalten. Blumenkohl und Broccoli werden, je nach Bedrohungslage, kurzfristig gegart, nach Art der «Flexible Response» während des Kalten Krieges. Die rote Farbe der Zwiebeln ist in Anbetracht der derzeitigen Margarinalisierung des Weltkommunismus allerdings blanke Kroketterie. «Butter bei die Fische?» Von wegen. Etwaige Differenzen im Geschmacksbild werden mit Sour Creme übertüncht.

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    Von der Außen- in die Gewerkschaftspolitik führt uns dieser Zettel. Kein gesetzter Diplomat notierte diese Liste, sondern sein Gegenteil, ein ungestümer Agitator der IG Metall. Er hat null Bock auf Etepetete; sein Speiseplan ist ganz der Arbeiterklasse verpflichtet. Der jugendliche Machertyp setzt auf das Fanal der Tat, und so steht bei ihm der Tunfisch ganz obenan. Mit Bedacht überlässt er das phonetisch völlig verzichtbare «h» der Arbeitgeberseite; indem er die stromlinienförmige Großmakrele zum Manta, äh, zum Mantra werden lässt, zum Symboltier des Vorwärts, der Veränderung, der Revolution, entkräftet er jene, welche die IG Metall zum alten Eisen erklären wollen. Entsteigen wir nun dem Meer der Arbeit mit seinem Tunfisch und wenden uns der
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