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Butter, Brot und Laeusespray

Butter, Brot und Laeusespray

Titel: Butter, Brot und Laeusespray
Autoren: Wigald Boning
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Löcher im Zellstoff verräterisch; an diesem Einkaufszettel hat sich offenbar eine spanische Wegschnecke, Arion Vulgaris, gütlich getan, eine mediterrane Nacktschnecke, die seit den 70er Jahren die einheimischen Gastropoden weitgehend verdrängt hat. Auf dem papiernen Schneckenspeiserest sind Knäcke, Eier und Handwasu notiert. Tja   … «Wasu-FM» ist der Name eines Lokalradios in der Ortschaft Boone, North Carolina, und sendet dort auf der Frequenz UKW 90,5.   Ferner steht die Abkürzung für «Worcestershire Association of Service Users», eine Organisation, die sich u.   a. darum bemüht, Senioren zu helfen. Welches «Wasu» in diesem Fall gemeint ist, geht aus dem Zettel nicht hervor.
    Das liederliche Schriftbild darf jedenfalls durchaus mit dem Fundort in Beziehung gesetzt werden; womöglich werfen Schmierfinken ihr Krickelkrackel häufiger in Blumenbeete als akkurate Schönschreiber. Beweisen kann ich diesen Zusammenhang natürlich nicht – aber die These klingt plausibel.

5

    Auch diesen Zettel habe ich aus einem Parkplatzbeet aufgelesen. Die Bissspuren lassen sich vom Fachmann problemlos einem Tausendfüßer zuordnen; unterm Mikroskop könnte man sogar deren Fußabdrücke durchzählen, wenn man ein bisserl Zeit mitbrächte. Die Löcher rechts gehen allerdings nicht auf Tausendfüßer zurück, sondern auf einen Locher. Inhaltlich handelt es sich um einen typischen Baumarktzettel; bei den Leisten, Balken und Paneelen könnte es sich um die Zutaten für einen Fahrradschuppen handeln. Mit einer Deckenhöhe von 2   m kann es sich natürlich auch um ein Häuschen für einen sehr großen Hund handeln oder für eine sehr kleine Giraffe oder für ein hormongestörtes Meerschweinchen mit bestem Appetit.
    Der verdichtete Faserfilz eines gängigen Notizzettels ist nicht nur für Schnecken und Gliederfüßer ein Leckerbissen, sondern auch für Regenwürmer sowie für die zu den Sackkieflern gehörenden Springschwänze (jaja, ich habe mich eingelesen). Theoretisch sind Einkaufszettel mit ihrem hohen Anteil an unverdaulichen Ballaststoffen auch für uns Menschen eine sinnvolle Nahrungsergänzung.
    Hoppla; einmal kurz unkonzentriert, und schon habe ich mich in einem Randbereich meines Sammelgebiets verirrt, nämlich in seiner Essbarkeit. Nur schnell raus aus dem Blumenbeet, widmen wir uns lieber der Parkplatzfläche, die heutzutage jedem Durchschnittssupermarkt vorgelagert ist.

6

    So sieht ein typischer Parkplatzfund aus. Bedingt durch ihre Bodenlage werden Parkplatzzettel sehr häufig von Autos überfahren. In diesem Fall lassen sich die Überrollspuren eindeutig einem Fahrzeug mit Sommerbereifung zuordnen. Mein Freund Jürgen, der sich mit Autos auskennt und sich sogar mal ein paar Monate als Gebrauchtwagenhändler durchgeschlagen hat, meinte anhand des Abdrucks sogar festzustellen, dass es sich um einen 165/​70   -   1 5-Reifen handeln dürfte, wobei 165   mm die Breite des Reifens betreffen , 70   mm dessen Höhe und die 15   Zoll den Durchmesser. Derartige Reifen seien, so klärte mich Jürgen auf, typisch für den V W-Bus und dessen Nachkommen im Segment der Familien-Vans. Nun ja; mir fehlt das Spezialwissen; sicher erscheint mir allerdings, dass dieser Zettel bei feuchter Witterung überfahren wurde – der Schmierschmodder beeinträchtigt die Leserlichkeit gerade der Kuli-Notizen erheblich. Dennoch reichen die beiden mit schwarzem Filzstift geschriebenen Artikel aus, um wenigstens ein grobes Bild der Verfasserin zu skizzieren. Grundkenntnisse in Sachen Schriftdeutung sind für einen Einkaufszettelsammler enorm hilfreich; auch ich blätterte mich in den letzten Jahren eifrig durch Fachbücher, um mich mit Spezialwissen zu munitionieren. Und darum weiß ich: Die Abschwünge am «g» nennt man in der Graphologie «Unterlängen», und auffallend große Unterlängen werden mit stark ausgeprägtem Triebleben in Verbindung gebracht. Die vorliegenden Unterlängen sind nicht nur groß, sondern aufgebläht wie Spinnaker, schnittig wie Samuraischwerter, wuchtig wie der Kölner Dom. Und was lesen wir ganz oben? «Hipp Folgemilch» – sieht so aus, als könnten die Graphologen recht haben.

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    Zum Vergleich: Dieser Parkplatzzettel wurde von einem Auto mit Winterreifen überfahren. Zwischen den Profilrillen erspähen wir ein paar zarte Zeilen, mit feinem Bleistiftstrich ins Zellulosebett gehaucht. Wir lesen: «Grobes Meersalz   – Muscatnüße   – Gläser für Gewürz   – Film 12 – Dadeln». Jetzt
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