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Butter, Brot und Laeusespray

Butter, Brot und Laeusespray

Titel: Butter, Brot und Laeusespray
Autoren: Wigald Boning
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abschließt. Vielleicht gelang sogar eine komplette Durchquerung dieser lebensfeindlichen Weltengegend, und die Vorräte reichten nicht aus, um auch den Rückweg in guter Form zu vollenden. Ein halbes Kilo Gulasch – das hält nicht ewig. Paprika ist sicher gut gegen Skorbut, aber ob Tassimo und Fencheltee für eine solche Unternehmung wirklich klug gewählt sind? Robert Scott kommt uns in den Sinn, der 1912 den Südpol erreichte, allerdings erst als Zweiter, nach Roald Amundsen, und der auf dem Rückweg gemeinsam mit vier Begleitern sein Leben ließ. Selbst wenn eine Komplet t-Dur chquerung auch in diesem Fall nicht gelungen sein sollte, so verneigen wir uns voller Respekt vor der Heldentat. Okay, vielleicht hat der Zettel auch keinerlei arktischen Hintergrund, und bei den gulaschbraunen Schmierschlieren handelt es sich lediglich um eine Warenprobe. Ist natürlich auch möglich. Weiter im Text.

26

    Oje! Mir schwant Böses. Hier steckt jemand bis übers Jochbein in der Tinte. Nähern wir uns der Sache sachte. Ersteindruck: Auch hier hinkt das Eiplanov, und wir stolpern über die eigenartige Schnittkante linkerseits. Offenbar wurden die Anfänge der niedergeschriebenen Produkte abgeschnitten. Warum!? Die Rekonstruktion des ursprünglich Notierten ist nicht allzu schwierig: «Shampoo Anti Fett», erlaube ich mir zu vervollständigen, ferner «Clearasil». Der Zettel gehört offenbar zu einer jungen Dame mit fettigen Haaren und Pickeln im Gesicht. Clearasil nahm auch ich, mit 15, ich kann mich gut daran erinnern, wie unerhört hässlich man sich finden kann, wenn auf der Nasenspitze ein knopfgroßer Pickel wächst. Man hasst die miese Type, in der man sich gefesselt wähnt, will raus, und wenn denn dies nicht geht, will man die Dreckshülle wenigstens vernichten. Sie merken schon, ich fühle mich noch jung, mein Ärger ist frisch, meine Sprache rabiat, und so behaupte ich keck, dass der dritte Eintrag des gepeinigten Fräuleins «Pöbeln für Fortgeschrittene» bedeuten könnte oder «Popeln» oder «Rüpeln». Aber es kommt noch dicker. Eine Sowieso-Packung Slim-Fast lesen wir, sprich: Der Speck soll weg, und zwar schnell. Übergewichtig fühlt sie sich also auch, die Arme. Und so dürfte das letzte Wort denn auch ein knappes «Oje» gewesen sein, ehe es in einem Akt bebender Aggression um sein «O» gekürzt wurde. Immerhin, und dies ist der positive Aspekt, ritzt sie sich nicht selbst, ein autoaggressives, also selbstverletzendes Verhalten liegt nicht vor. Der Einkaufszettel übernimmt gleichsam eine Stellvertreterfunktion, so als wollte sie sagen «Der Zettel bin ich». Hoffen wir, dass der Sturm der Hormone sie nicht gänzlich entwurzelt und in die Ferne weht. Immerhin lässt sich aus der dritten Zeile auch ein «Coeln für Fortgeschrittene» vervollständigen, was auf Reisepläne hindeuten könnte.

27

    Den besonders maulfaulen Listen mit viel Ozean um die Notizinsel lassen sich die prall gefüllten gegenüberstellen, berstende Abhandlungen, die Mensch und Material an unüberwindliche Grenzen führen. Zur Einstimmung ein Plan, der weit über alle einkaufszettelerischen Standards hinausragt. Ein nahezu professionell anmutender Ablaufplan, ach, was sage ich, ein spannender Kurzroman mit autobiographischen Zügen, dessen Handlungsklimax die PAPIER E-Ausrufezeichen -Ausrufezeichen-Ausrufezeichen-Passage darstellt. Ordnung ist nur das halbe Leben? Von wegen! Das ganze Faltquadrat atmet Ordnung und Fortschritt. Aber der Atem geht schnell, hektisch, keuchend, denn es gilt, alles ins Lot zu bringen für den Tag X, den längsten, den Tag der Tage. Was mag da wie eine Gewitterwolke über dieser Dispo dräuen, über dem offenbar reinigungswürdigen Leben der Verfasserin? Steht ein entscheidendes Rendezvous bevor? Der Hausbesuch einer Parteizulassungskommission? Geht’s um eine Homestory für «Heim und Welt»? Den entscheidenden Hinweis liefert der Fundort, nämlich der Eingang eines Studentenwohnheims in Köln. Schwuppdiwupp wird der Fall klar: Eine Studentin, wohl im allerersten Semester, erwartet den Besuch ihrer Eltern, und darum muss die derangierte Bude in Ordnung gebracht und der Tisch beim Mexikaner bestellt werden. Und sie darf nicht vergessen, Mama und Papa drum zu bitten, dass sie Geburtsurkunde, Abmeldebescheinigung und BAfö G-Berechtigung mitbringen. Und um Himmels willen keine leeren Bierflaschen im Flur stehenlassen, sonst gibt’s gerümpfte Nasen. Eventuell wohnen die Eltern ja in der Nähe des
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