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Burgfrieden

Burgfrieden

Titel: Burgfrieden
Autoren: Sigrid Neureiter
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für ihr merkwürdiges Verhalten nicht geben.
    Es war Mordreds Idee gewesen, dass die Vermissten auf Runkelstein sein könnten. Er habe so ein Gefühl, hat er bloß gemeint. Lenz und Arthur hatten auch keine bessere Idee gehabt und daher beschlossen, es dort zu versuchen. Georg und Maria waren allerdings mit dem Van unterwegs, bei Verwandten, also gab es keinen Wagen, um nach Runkelstein zu kommen.
    Mordred hatte den Vorschlag gemacht, die Mopeds zu nehmen. Lenz hatte zunächst gezögert, was Mordred bemerkt haben dürfte. Er würde voraus fahren, sein Onkel könne bei ihm aufsitzen. Lenz solle hinterherkommen. Arthur hatte aber hinter Lenz Platz genommen, warum auch immer. Er konnte ihn jetzt nicht fragen, der Professor schien sich dahinten ohnehin nicht besonders wohl zu fühlen. So fest klammerte er sich an, dass es Lenz beinah die Luft nahm. Er musste versuchen, den Griff ein wenig zu lockern. Mit einer Hand berührte er die Finger des Professors, die dieser vor Lenz’ Brust fest verschränkt hielt. Sachte bedeutete er Arthur, seine Umarmung etwas nach unten in Richtung der Taille zu verlagern. Dort würde er sich gut festhalten können und Lenz hätte gleichzeitig ein wenig mehr Bewegungsspielraum. Den brauchte er jetzt dringend. Denn soeben waren sie in die Privatstraße eingebogen, die zur Burg führte. Die steilen Serpentinen würden seinem bescheidenen Können als Mopedlenker alles abverlangen.
     
    *
     
    Das Erste, was Jenny wahrnahm, war ihr Fahrradhelm. Sie fragte sich gerade, wieso sie sich mit diesem schlafen gelegt hatte, als sie feststellte, dass nicht die komfortable Matratze ihres Bettes in der Villa Wasserschloss, sondern ein harter Steinfußboden ihre Lagerstätte bildete. Langsam begann sie zunächst ihre Finger und Zehen, dann ihre Arme und Beine zu bewegen. Schien soweit alles in Ordnung zu sein. Fragte sich bloß, wie sie hierhergekommen war, ja wo sie sich überhaupt befand. In dem Augenblick, als Jenny sich auf die Seite rollte, um aufzustehen, fiel ihr alles wieder ein: Sie war einem Radfahrer – Lenz, wie sie vermutete – gefolgt und ins ehemalige Verlies, nunmehr Küchenlager der Burg, hinabgestiegen. Nach Herabklettern über die Leiter war ihr schwarz vor Augen geworden. Die Ursache dafür kannte sie allerdings nicht. War ihr schwindlig geworden oder hatte ihr jemand einen Schlag versetzt? In beiden Fällen hatte sie der Helm, den sie immer noch trug, vermutlich vor Schlimmerem bewahrt. Was auch immer der Grund gewesen sein mochte, sie sollte dieses dunkle Loch tunlichst wieder verlassen. Es war wohl doch keine so gute Idee gewesen, hier herunterzuklettern. Am besten, sie machte erst mal Licht. Sie begann, die ihr am nächsten liegende Wand nach einem Schalter abzutasten, musste aber schon bald feststellen, dass sie nicht so rasch fündig wurde. Inzwischen hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Sie konnte schemenhaft die Gefriertruhe und die Öffnung zum Geheimgang erkennen, ebenso die Leiter, die sie ins Freie führen würde. Jetzt erkannte sie auch, dass ein Flügel der Falltür noch geöffnet war. Von dort drang diffuses Licht herein. Also, nichts wie raus. Diesmal musste Jenny nicht lange überlegen, prompt begann sie ihren Aufstieg. Kaum hatte sie jedoch die ersten Sprossen erklommen, hörte sie plötzlich von oben eine Stimme:
    »Allora, chiudiamo tutto qui. Machen wir dicht.«
    Der Knall, mit dem die Klappe ins Schloss fiel, versetzte Jenny einen Mordsschrecken. Jetzt stand sie völlig im Finstern. Sie kletterte noch ein paar Sprossen höher und stemmte zunächst einen Arm und dann den ganzen Rücken gegen die hölzerne Türdecke, aber nichts bewegte sich. Jenny saß fest. Zumindest gab es keine Chance, auf dem Weg wieder herauszukommen, auf dem sie in das Lager gelangt war, wie ihr sehr rasch klar wurde. Kurz dachte sie an ihr Handy, um damit Hilfe zu holen. Sogleich fiel ihr jedoch ein, dass sie es in der Eile ihres Aufbruchs irgendwo im Zimmer hatte liegen lassen.
    Verdrossen versuchte sie sich mit dem Gedanken an eine unbequeme, feuchtkühle Nacht vertraut zu machen. Morgen würde das Personal wiederkommen und die Falltür öffnen, dann konnte Jenny ihrem Gefängnis entfliehen. Sie legte sich gerade eine Erklärung zurecht, die sie dem sicherlich verdutzten Koch auftischen würde, als sie plötzlich einen Stich in der Magengrube verspürte. Schaudernd wurde ihr bewusst, dass sich vermutlich auch der von ihr Verfolgte in diesem Trakt der Burg befand. Und, falls
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