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Burgfrieden

Burgfrieden

Titel: Burgfrieden
Autoren: Sigrid Neureiter
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Professor Arthur Kammelbach in zwei Augenpaare, die ihn erwartungsvoll ansahen. Er, Lenz und Mordred hatten die Fahrt auf den heißen Öfen einigermaßen glimpflich überstanden und waren wie von einer unsichtbaren Macht getrieben in den Burghof gejagt. Nun befanden sie sich verdeckt von einer alten Eiche genau in der Mitte zwischen dem Westpalas und der im Ostpalas gelegenen Burgschänke. Von der Bühne her drangen die verzweifelten Beteuerungen des Kellermeisters Remigio und die unartikulierten Schreie seines Gehilfen Salvatore. Beiden würde ihr Protest nichts nützen. Der Autor Umberto Eco hatte sie in seinem Roman »Der Name der Rose« der Inquisition und damit dem Untergang geweiht. Bald würde auch im Theaterstück das unausweichliche Urteil folgen, Remigio und Salvatore als Ketzer dem Flammentod anheim gegeben werden.
     
    »Wie wollen wir es angehen, Onkel?« Mordreds Frage riss Arthur aus seinen Gedanken. Es war offensichtlich, dass die beiden jungen Männer auf eine Anweisung warteten. Und ihm hatten sie die Rolle des Oberkommandierenden zugedacht. Fatal war nur, dass er sich bisher keinerlei taktisches Vorgehen, geschweige denn eine Strategie überlegt hatte. Zu beschäftigt war er gewesen, sich an Lenz festzuhalten. Der ergriff nun das Wort:
    »Versuch’ ich, in die Burg zu kommen. Bleibt ihr hier und passt auf, falls« – er zögerte kurz – »jemand herauskommt.«
    Es war klar, dass die Sorge des Assistenten Jenny galt. Arthur konnte nur hoffen, dass Lenz sich zu keiner Unbedachtheit hinreißen ließ. In dem Augenblick bemerkte der Professor eine stattliche Gestalt, die mit einem großen Schlüsselbund an der Taille hängend eilig über den Burghof schritt. Arthur stürzte auf sie zu.
     
    *
     
    Staubig und zerschunden war Jenny ins Erdgeschoss des Westpalas gelangt und hatte sich zur Eingangstür vorgetastet. Doch die ließ sich ebenso wenig öffnen wie die Falltür im Verlies. Der Versuch, per Telefon Hilfe zu rufen, war ebenfalls gescheitert. Sie hatte zwar den Apparat gefunden. Nach Abheben des Hörers war allerdings nur ein Besetztzeichen ertönt. Wahllos hatte sie ein paar Tasten gedrückt, vergebens. Ohne entsprechende Kenntnisse würde sie hier keine freie Leitung bekommen.
    Ein wenig ratlos war sie auf den hinter der Kasse befindlichen Drehstuhl gesunken. Sollte sie einfach versuchen, sich hier zu verstecken. Allerdings schien ihr die Theke, die den Kassenbereich von den Besuchern trennte, kein ausreichender Schutz. Auch die Aussicht, hier leicht bekleidet eine kühle Nacht verbringen zu müssen, war nicht gerade verlockend.
    Mit einem Fuß den Boden berührend, setzte sie den Sessel so in Bewegung, dass er leicht hin und her schwang, als plötzlich ein Geistesblitz die sie umgebende Dunkelheit und den leichten Nebel in ihrem Gehirn durchzuckte: Im dritten Stock gab es einen Ausgang zum Wehrgang. Und der lag direkt oberhalb der Tribüne. Es war kaum anzunehmen, dass diese Tür geschlossen war, befand sich doch zwischen der Balustrade und den Sitzreihen ein Graben, der noch dazu durch ein Geländer abgesichert war. Keiner der Zuschauer konnte sich also über diesen Weg in die Burg stehlen, es sei denn, er wollte sich in der Kunst des Weitsprungs und des Kletterns üben und dabei allgemeines Aufsehen riskieren.
    Jennys Entschluss war gefasst. Ungeachtet dessen, dass sich derjenige, den sie verfolgt hatte, vermutlich noch im Westpalas befand, würde sie versuchen, den Wehrgang zu erreichen. Dort würde es ihr sicherlich gelingen, die Zuschauer auf sich aufmerksam zu machen. Dann war sie gerettet. Niemand würde es wagen, ihr vor Zeugen etwas anzutun.
     
    *
     
    »Professore, buonasera, gut, dass ich Sie treffe.« Kaum hatte Francesca Rossi den auf sie zueilenden Arthur erkannt, überschüttete sie ihn auch schon mit einem Wortschwall in bunt gemischtem Deutsch-Italienisch. »Terrone«, »Speranza« und »Dieb« waren die am häufigsten verwendeten Begriffe.
    Was Arthur der mit vielen Verwünschungen – »maledetto, bastardo« – und Gottesbeschwörungen – »che dio mi aiuti« – colorierten Schilderung entnehmen konnte, war Folgendes: Blasius hatte sich nicht allein auf die Einsicht des Diebs und die daraus resultierende freiwillige Rückgabe der Handschrift verlassen. Vielmehr hatte Botsch beschlossen, dem Täter als flankierende Maßnahme eine Falle zu stellen. Und die war zugeschnappt. Beim Versuch, noch einmal in das Verlies hinabzusteigen, war Speranza ins Netz gegangen. Wobei sich
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