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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
Autoren: Leander Haußmann
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gute Nacht«, sagt die Schwester und schaut mich an. Sie ist belustigt. »Ihren Schlafanzug haben Sie ja schon angelegt.«
    Sie verlässt den Raum. Ich höre die Schwestern lachen. Über wen wohl?
     
    Im Raum ist es hell, sehr hell, das medizinische Gerät um mich herum brummt und summt. Ich muss daran denken, wie ich einmal einen meiner Bochumer Regisseure im Bergmannsheil, dem Bochumer Krankenhaus, besucht habe, wo er aufgebahrt unter genau so einem Licht lag, weil er kleine Tierchen unter seiner Zunge wähnte, die man dort entfernen sollte. Er trug einen dieser Krankenhauskittel, die hinten offen sind, und natürlich seine Ray-Ban-Brille, die wie angewachsen war und die man ihm nur hätte aboperieren können. So eine Brille bräuchte ich jetzt.
    Ich lege mich hin. Glücklicherweise habe ich ein Buch dabei. Es ist Bob Dylans soeben erschienene Biografie »Chronicles. Volume One«.
    Um drei Uhr öffnet die Schwester die Tür und sagt: »Jetzt ist aber gut, Herr Haußmann, jetzt wird geschlafen.« Sie schließt die Tür.
    Sind die noch ganz dicht? Wie kommen die dazu, mir Vorschriften zu machen?
    Nicht frech werden, warne ich mich. Ich drücke den Notknopf. Die Schwester kommt zurück. »Was denn?«
    Könnte ich eine Schlaftablette haben, will ich sagen, aber sage es nicht. Stattdessen sage ich: »Diese Biografie ist ja wohl das schlechteste, was Dylan je geschrieben hat.«
    Die Schwester nickt. »Ja, endlich sagt’s mal einer. Im Rolling Stone war ja eine gute Kritik, aber ich finde seine Songs besser.« Ich schließe die Augen. »Da war ja damals sein ›My Life in a Stolen Moment‹ noch besser, viel besser«, sagt sie und klingt dabei bitter.
    »Wie heißen Sie?«, frage ich und finde, dass meine Stimme wie die eines Sterbenden klingt.
    »Sara«, sagt die Schwester und wirft ihr dunkles Haar nach hinten.
    Die Welt ist also doch noch nicht verloren, denke ich und schlafe ein.

4 MUSIS SACRUM
MUSIS SACRUM
    4 DER JUNGE MANN sitzt auf einem Baum. Sein Gesicht ist auf lustig geschminkt, aber ihm ist nicht zum Lachen. Der Baum ist aus Pappmasche. Nach dem ganzen Gebrüll von vorhin ist es jetzt besonders still. Es zieht hier auf der Bühne des Theaters in Gera genauso wie auf dem Alex. Ihn fröstelt, es ist Winter 1987.
    Der junge Mann blickt in den Zuschauerraum, dann auf seine Uhr. Es ist zwei Uhr nachmittags. Er sitzt nun schon seit vier Stunden hier oben. Runterkommen vom Baum ist keine Option. Soll mich doch die Stasi holen, denkt er, dann komm ich endlich raus aus diesem Scheißland. »Soll mich doch die Stasi holen!«, brüllt er also in das dunkle Loch des Zuschauerraums, zugegeben, er fühlt sich auch ein bisschen wohl in dieser Rolle. Aber es gibt keine Zuschauer. Außer Intendant Schröder, der die ganze Sache in Schwarz-Weiß auf einem rauschenden Bildschirm verfolgt, denn die Bühnenkamera überträgt das Geschehen auf der Bühne direkt in sein Büro.
    »Ich komme hier erst wieder runter, wenn ihr meinen Freund Uwe wieder eingestellt habt«, knarrt die Stimme des jungen Mannes durch die alten Lautsprecher. Eine Putzfrau bohnert geräuschvoll und lustlos das Foyer. Techniker zwängen sich durch die Sitzreihen und nehmen die Schonbezüge von den Klappsesseln, sie tun so, als sähen sie den Mann im Clownskostüm da oben auf dem Baum nicht. Nur in der Kantine bespricht ein Grüppchen Schauspieler, was geschehen ist.
     
    Intendant Schröder hört sich das Gezeter entnervt an. Die meisten Beschimpfungen betreffen ihn. »Stalinistischer Stasioffizier« sind Wörter, die ihn nicht besonders aufregen, weil sie ja irgendwie zutreffend sind. Und für den Intendanten sind das gute Worte. Das Einzige, was ihn in diesem Moment in seinem Innersten umtreibt, ist der Ärger über sich selbst. Warum bloß habe ich diese beiden Krachmacher, Kritikaster und Unruhestifter engagiert, fragt er sich.
    Gerade erst ist ja einer der Schauspieler, Norbert Stöß, mit seiner Hilfe in den Bau gegangen. Der hatte die Wände mit Parolen wie »Die Mauer muss weg« oder »Tapetenwechsel ist machbar, Herr Nachbar« beschmiert. Irgendwie waren diese zwei natürlich auch darin verwickelt. Den Dag Berlin ist er ja jetzt los, aber dieser Haußmann, der da auf dem Pappbaum sitzt, als wäre er in einem Fellini-Film, der sein schönes Theater zusammenbrüllt und einen Ausreiseantrag laufen hat, der muss der Nächste sein, das ist Intendant Schröder klar, zu sehr liebt er seine Ruhe. Diese Ruhe hat er aus irgendeinem Grunde aufgegeben. Er ist
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