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Buddha-Boy

Buddha-Boy

Titel: Buddha-Boy
Autoren: Jordan Sonnenblick
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gestellt hätte. Sich auf Schulaufgaben zu berufen, ist ein wirksames Eltern-Abwehrmittel. Man darf es aber nur sparsam einsetzen, damit man nicht gezwungen ist, zu viele Hausaufgaben zu machen.
    In meinem Zimmer ließ ich mich auf mein schmales, durchhängendes Bett fallen und trauerte für den Bruchteil einer Sekunde um mein altes, extrabreites Wasserbett in Kalifornien. Dann brauchte ich noch eine Sekunde, um meinen iPod, den wir versetzt hatten, zu bejammern: »Oh, iPod! Pod, der du warst! Ich habe dich verloren! Weg ist der sanfte Druck deines Stöpsels. Leb wohl, mein treuer Spender geräuschvoller Glückseligkeit!« Und so weiter.
    Ich bin ein großartiger Verzögerungstaktiker. Zumindest hatte ich mir schon immer eingebildet, einer zu sein. Bis zu diesem schicksalsschweren Moment. Ich schlug das Zen-Buch über das Sitzen auf und betrat ganz neue Welten der Meisterschaft des Verzögerns. Diese Zen-Typen waren gut. Sie hatten das Sitzen und das Befreien ihrer Köpfe von allen bewussten Gedanken zu einer Religion gemacht. Sie saßen jahrelang zusammen in Klöstern herum. Die Leute bekamen für das Sitzen eine Unterkunft und Essen, manchmal ihr ganzes Leben lang. Und ich hatte das immer umsonst gemacht!
    Für mich, den Amateur, war die Zeit gekommen, zum Profi aufzusteigen.

Sitzmeister,
eiskalter Fels
    Am nächsten Morgen ging ich früh zur Schule. Die schwache Wintersonne lugte über einer Reihe von Geschäften auf den breiten Rasen gegenüber der Schule, während ich einen Sitzplatz suchte. Er sollte auffallen, aber nicht zu sehr. Mein Vater hatte immer zu mir gesagt: »Du darfst nicht aussehen, als ob du etwas ausprobierst. Die besten Schauspieler sehen nie aus, als ob sie nur was ausprobieren.«
    Und zugegebenermaßen hatte er bis zu jenem schlechten Tag in Texas mit seiner Schauspielkunst einen Bombenerfolg gehabt.
    Unter einem blattlosen, verschneiten Baum entdeckte ich einen großen, flachen Felsbrocken, dem Eingang der Schule direkt gegenüber, und ließ mich auf Zazen-Art darauf nieder. Das ist die Haltung, die man in Karate-Filmen immer sieht. Ein Mann verschränkt seine Beine so, dass jeder Fuß auf dem Oberschenkel des anderen Beines ruht, und die Hände werden so gefaltet, dass sie zwischen den Daumen und Handkanten ein kleines Oval bilden. Das sieht dann aus, als ob der Typ aus einem kleinen unsichtbaren Becher Wasser über seine Fußknöchel gießt.
    Ich saß seitlich, damit mich die eintreffenden Schüler im Profil sahen – von fern wie eine Silhouette vor der aufgehenden Sonne.
    Vielleicht sollte ich später einmal Filmregisseur werden.
    Ich hatte noch ungefähr zwanzig Minuten Zeit, bevor alle eingetrudelt waren. Also beugte ich mich vor und zurück, bis ich bequem saß, wie mir das Zen-Buch empfohlen hatte. Dann versuchte ich, tief und gleichmäßig zu atmen, bis ich das Atmen vergaß. Das ist echt hammerschwierig! Ich versuchte, meine Atemzüge zu zählen. Dann versuchte ich, sie NICHT zu zählen. Aber wenn man sie absichtlich NICHT zählt, will das Gehirn unbedingt zählen.
    Dann fiel mir etwas auf. Wenn Zazen das Ziel hatte, alle bewussten Gedanken auszublenden und nur zu sein, dann waren das Zählen und absichtliche Nicht-Zählen gleichermaßen kontraproduktiv. Mir kam außerdem in den Sinn, dass die Zen-Anhänger vielleicht gar nicht erleuchtet waren, sondern einfach nur furchtbar müde.
    Nach einer Weile schaffte ich es mit Hilfe eines schlauen Tricks tatsächlich, nicht mehr ans Atmen zu denken: Ich konzentrierte mich darauf, zu spüren, wie alle Moleküle meines Hinterteils festfroren, eines nach dem anderen. Als der ganze Hintern vollständig taub war – und ich meine vollnarkosig taub –, konzentrierte ich mich auf die Taubheit. Aber Taubheit ist nicht das Gleiche wie Nicht-Denken. Man denkt nur daran, dass man im Po kein Gefühl mehr hat.
    Gerade als ich dachte, dass mein Allerwertester abbrechen und als fester Brocken wegrollen würde, tauchte Woody am Rande meines Blickfeldes auf. Sie stieg vor der Schule aus einem Minivan und Jones sprang gleich hinterher. Sie musste mich gesehen haben, auch wenn ich meinen Hals nicht drehen konnte, um hinzuschauen, weil ich sonst meine Pose verdorben hätte. Dann kam sie auf mich zu. Jones auch. Grrr.
    Moment! Ich war viel zu Zen – oder zumindest zu starr vor Kälte –, um
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