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Buddha-Boy

Buddha-Boy

Titel: Buddha-Boy
Autoren: Jordan Sonnenblick
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das Zitat notieren, während unsere Lehrerin ihre tiefen, kosmischen E-Mails checkte.
    Was sollte ich darüber schreiben? Mein Vater gab keine guten Ratschläge, er gab böse Ratschläge. Und meine Mutter gab zwar gute Ratschläge, war aber als arme Alleinerziehende mit einem Verbrecher als Ehemann geendet. Wie viel Weisheit konnte ich also von ihr erwarten? Und wie sollte ich schließlich meinen Charakter bilden, wenn meine Vorbilder allesamt elende Versager waren? Ich dachte an das eine Mal in Alabama, als mein Vater und ich einkaufen gingen und an der Kasse ein richtig süßes Mädchen saß, das immer nett zu mir gewesen war. Ich steuerte mit dem Einkaufswagen stets ihre Kasse an, weil sie mir manchmal einen Lutscher schenkte. Jedenfalls ließ mich mein Vater zahlen, und sie gab mir aus Versehen auf einen Zwanziger raus, obwohl ich ihr nur fünf Dollar gegeben hatte. Ich merkte den Fehler auf dem Parkplatz, als ich die fünfzehn extra Dollar abzählte, und fragte meinen Vater, ob ich in den Supermarkt laufen und ihr das Geld zurückgeben könne. Mein Vater sagte: »Machst du Witze, Sanny? Die Menschen sind unehrlich und hauen dich ständig übers Ohr. Wenn du mal Glück hast, behältst du das Geld. Du schuldest niemandem was.« Ich fragte, was dem Mädchen passieren würde, wenn es am Ende des Tages nicht den richtigen Betrag in der Kasse hatte. Er sagte: »Das kann uns doch egal sein! Sie hat wahrscheinlich sowieso in die Kasse gegriffen. Das machen alle. Und wenn ihr Chef sie danach fragt, klimpert sie mit ihren hübschen Wimpern, und alles ist vergeben. Weil die Leute nämlich Trottel sind.« Ich hatte auf der ganzen Fahrt nach Hause darüber nachgedacht und aus dem Seitenfenster geschaut, damit mein Vater nicht sehen konnte, dass ich weinte. Als wir das nächste Mal in den Supermarkt gingen, saß eine andere Frau an der Kasse. Und es gab keinen Lutscher.
    Â»Die Leute sind Trottel. Sie hauen dich ständig übers Ohr.« Mein Vater redete wie ein Fernsehdoktor, nur böse. Meine Mutter hingegen war total warmherzig. Sie sagte immer: »Du musst den Leuten eine Chance geben.« Als mein Vater zum ersten Mal verhaftet wurde, meinte sie: »Das ist ein Fehler. Dein Vater ist unschuldig. Du wirst schon sehen. Dein Vater gehört nicht zu denen, die Menschen betrügen. Die Sache wird sich schnell aufklären lassen.« Ich dachte: Mom, hast du sie nicht mehr alle? Dad gehört zu denen, die jeden betrügen. Er lügt zum Spaß. Es gab die schreckliche Zeit vor der Gerichtsverhandlung, als Mom in der Krebsabteilung des Krankenhauses Doppelschichten einlegte und wir trotzdem fast alles verkaufen mussten, was wir besaßen, nur um den Staranwalt zu bezahlen, den mein Vater unbedingt wollte. Und da behauptete meine Mutter immer noch, dass alles ein Missverständnis sei. Als die Verhandlung begann und Zeugen von überall, wo wir gelebt hatten, mit Hunderten von Seiten Beweismaterial angeflogen kamen – weil mein Vater in Alabama gefälschte Versicherungspolicen verkauft hatte, in Kalifornien Hausbesichtigungen ohne Lizenz durchgeführt hatte, in Dallas von einem Lastwagen herunter verdorbenes Fleisch an Restaurants vertickert hatte, während er angeblich übers Wochenende einen Bibelkurs besuchte –, behauptete Mom, es handele sich um eine Reihe von Missverständnissen. Bis die Polizei kam und unsere Tür versiegelte – mit meiner Katze Sparky in der Wohnung! –, bestand meine Mutter darauf, dass die Dinge okay seien. Aber wir verloren alles. Dad kam ins Gefängnis und würde seine Strafe mindestens bis zu meinem zwanzigsten Geburtstag absitzen müssen. Ich sah Sparky nie wieder, und Mom und ich landeten aus keinem ersichtlichen Grund in Nirgendsville, Pennsylvania.
    Wahrscheinlich hätte ich das alles in Aufsatzform zu Papier bringen können, aber das hätte möglicherweise an meinem Zen-Image gekratzt. Also schrieb ich stattdessen:
    Dieses Zitat von Anne Frank entspricht definitiv der Wahrheit. Den Traditionen meiner Herkunft gemäß ist das Karma oder Glück, das du mit deinen Handlungen in die Welt bringst, das Einzige, was dein Schicksal in diesem oder zukünftigen Leben bestimmt. Wenn mir also mein Vater zum Beispiel sagt, ich soll diejenigen, die weniger Glück haben als ich, gütig behandeln, kann ich mit diesem Rat am Ende doch tun, was ich will. Dann muss
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