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Bruno Chef de police

Bruno Chef de police

Titel: Bruno Chef de police
Autoren: Martin Walker
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gegeben, bis Bruno mit Ivan eines Tages losgezogen war, um sich mit ihm heillos zu betrinken.
    Heute aber war ein besonderer Tag, und der Bürgermeister hatte alle, die zum Gelingen der Parade beigetragen hatten, zu einem Bankett eingeladen. Sie stiegen über die Steinstufen, die im Laufe der Jahrhunderte zur Mitte hin abgewetzt waren, ins Obergeschoss der
mairie,
wo sich der Ratssaal befand. Der uralte lange Tisch, an dem sonst beraten wurde, zählte zu den Schmuckstücken der Stadt und war, wie es hieß, für den Speisesaal des Châteaus der Brillamont-Familie getischlert geworden, noch in jenen glücklichen Tagen, ehe der Seigneur von den Engländern gefangen genommen worden war. Bruno zählte die Gedecke - für über zwanzig Personen - und sah sich neugierig im Saal um, wer sonst noch alles eingeladen war.
    Außer dem Bürgermeister und seinem Stellvertreter mit Familie waren da Jean-Pierre und Bachelot, die sich mit ihren Frauen automatisch in gegenüberliegende Winkel des Raumes zurückgezogen hatten. Zum ersten Mal waren auch Karim und seine Frau eingeladen worden. Sie unterhielten sich mit Montsouris, dem Kommunisten, und dessen Frau, einem wahren Drachen, die politisch noch weiter links stand als ihr Mann. Der alte Monsieur Jackson, Sylvie und deren Sohn tauschten Höflichkeiten mit Rollo aus, dem Rektor und Musiklehrer der Schule, der auch die Blaskapelle und den Kirchenchor leitete und Brunos Tennispartner war. Bruno hatte erwartet, mit dem neuen
capitaine
der Gendarmerie Bekanntschaft zu machen, doch der schien nicht gekommen zu sein. Pater Sentout, der überaus korpulente Priester der alten Kirche von Saint-Denis, der so gern Bischof werden wollte, trat schwer atmend aus dem neu gebauten Fahrstuhl. Er hatte sich die enge Kabine mit dem Baron teilen müssen, einem Respekt einflößenden pensionierten Industriellen, größtem Grundbesitzer der Gemeinde, der ein streitbarer Atheist und ebenfalls Brunos Tennispartner war.
    Die dicke Jeanne vom Wochenmarkt kam mit einem Tablett voller Champagnergläser, gefolgt von Claire, der Sekretärin des Bürgermeisters, die auf ihrem riesigen Tablett selbstgemachte Appetithäppchen anbot. Sie hatte mit Bruno, den sie ganz besonders gern mochte, seit Tagen über nichts anderes als ihre Häppchen gesprochen und, statt die Briefe des Bürgermeisters zu tippen, in
Madame Figaro
und
Marie-Claire
nach geeigneten Rezepten gesucht. Bruno fand das Ergebnis wenig überzeugend: mit Weichkäse bestrichener Stangensellerie, mit Anchovis gefüllte Oliven und Toastscheiben mit kleingehackten Tomaten.
    »Das ist Bruschetta, eine italienische Spezialität«, erklärte Claire und sah wie immer Bruno tief in die Augen. Sie war recht hübsch, wenn auch sehr geschwätzig, doch hatte sich Bruno zur Regel gemacht, nie im beruflichen Umfeld zu flirten. Er hätte sich selbst dann zurückgehalten, wenn eine junge Juliette Binoche mit einem Job in der
mairie
betraut worden wäre. Trotzdem war er für Claire und ihre Mutter - wie übrigens für die meisten Mütter von Saint-Denis - der begehrteste Junggeselle der Stadt, und sie alle wachten mit eifersüchtigen Blicken darüber, dass sich keine andere junge Frau an ihn heranmachte. Bruno einzufangen war längst ein kleines Gesellschaftsspiel, Thema für mancherlei Klatsch unter den Frauen und für wohlwollende Spekulationen unter den verheirateten Männern, die Brunos Verhängnis schon besiegelt sahen, auch wenn er sich anscheinend noch tapfer dagegen wehrte. Immerhin respektierte man seine Diskretion in privaten Angelegenheiten und seine höfliche Raffinesse, mit der er die Mütter aller heiratsfähigen Töchter frustrierte und seine Freiheit behauptete.
    »Köstlich«, sagte Bruno und beschränkte sich auf eine einzige Olive. »Gut gemacht, Claire. Deine Mühe hat sich gelohnt.«
    »Oh, Bruno«, entgegnete sie. »Findest du wirklich?«
    »Die Frau Bürgermeister scheint Hunger zu haben«, sagte er und nahm sich ein Glas Champagner vom Tablett der dicken Jeanne, die wie ein großer Schoner an ihm vorbeisegelte. »Du solltest ihr mal was von deinen Leckereien anbieten.« Er führte sie zu dem hohen Fenster, vor dem der Bürgermeister mit seiner Frau stand, und bemerkte, dass sich ihm eine lang aufgeschossene düstere Gestalt von der Seite näherte.
    »Bruno«, grüßte eine laute Stimme, die durchaus geeignet war, feurige Reden vor streikenden Arbeitern zu halten. »Du hast den Sieg unseres Volkes zu einer Feier der britischen Krone gemacht.
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