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Bruno Chef de police

Bruno Chef de police

Titel: Bruno Chef de police
Autoren: Martin Walker
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über die Aufstellung für das Sonntagsspiel sprechen. Es dauert nicht lange.« Damit fasste er den großen Araber am Ellbogen, verabschiedete sich von Colette und führte ihn in Richtung Brücke.
    »Ich bin gekommen, um dich zu warnen. Vermutlich wird das Auto observiert. Es könnte sogar sein, dass irgendjemand der Gendarmerie einen Tipp gegeben hat«, erklärte Bruno. Karim blieb stehen und grinste.
    »Daran habe ich selbst schon gedacht, Bruno. Der neue
capitaine
steht dort drüben in der Schlange vor dem Automaten und schaut sich ständig um. Also habe ich Abstand gehalten und abgewartet. Sei's drum, es hat auch so geklappt.«
    »Was? Du hast doch nicht etwa in Durocs Beisein die Reifen zerstochen?« Bruno war entsetzt.
    »Natürlich nicht!« Karim grinste. »Ich habe meinen kleinen Neffen und seine Freunde eingespannt. Sie sind angeschlichen und haben eine Kartoffel in den Auspuff gepfropft, während ich mit Colette geplaudert habe. Der Karren macht's nicht mehr weit.«
     

3
    Als Punkt zwölf die Sirene losheulte, stand Bruno in Habtachtstellung vor der
mairie
und fragte sich, ob mit demselben schrillen Laut, der den ganzen Ort beschallte, auch vor dem Einmarsch der Deutschen gewarnt worden war. Bilder aus alten Wochenschauen gingen ihm durch den Kopf: Stukas im Steilflug, Menschenscharen, die Hals über Kopf in Luftschutzbunkern Zuflucht suchten, die Wehrmacht, wie sie 1940 im Stechschritt durch den Are de Triomphe und über die Champs-Elysées marschierte. Aber heute war der 8. Mai, der Tag, an dem Frankreich seinen Sieg-in-letzter-Minute feierte, und obwohl manche meinten, dass eine solche Feier altmodisch und in einem vereinten Europa unangebracht sei, erinnerte man sich in Saint-Denis an die Befreiung wie jedes Jahr mit einer Parade der ehrwürdigen Veteranen.
    Bruno hatte die Verbotsschilder aufgestellt, um die Straße frei zu halten, und dafür gesorgt, dass die Blumenkränze rechtzeitig geliefert wurden. Er hatte seine Krawatte umgebunden, die Schuhe geputzt und den Mützenschirm poliert, den alten Männern in beiden Cafés Bescheid gesagt, dass es bald an der Zeit sei, und die Fahnen aus dem Keller der
mairie
geholt. Der Bürgermeister hatte schon seine Schärpe umgelegt und die kleine rote Rosette der
légion d'honneur
ans Revers geheftet, und während die Gendarmen den Verkehr umleiteten, fragten Hausfrauen mit schweren Einkaufstaschen verärgert, wann sie endlich die Hauptstraße überqueren könnten.
    Jean-Pierre, der Inhaber des Fahrradladens, trug die Trikolore, Schuster Bachelot die Fahne mit dem Lothringer Kreuz, dem Symbol der Exilregierung unter de Gaulle und des Freien Frankreich. Die alte Marie-Louise, die als junges Mädchen Kurierdienste für eine der Widerstandsgruppen geleistet und das Konzentrationslager von Ravensbrück überlebt hatte, trug das Banner von Saint-Denis. Für die kommunistische Ratsfraktion schwenkte Montsouris eine kleine Fahne der Sowjetunion, während der alte Monsieur Jackson den
Union Jack,
die Fahne seines Heimatlandes, hochhalten durfte - eine Geste, für die sich Bruno persönlich stark gemacht hatte. Monsieur Jackson war nach seiner Pensionierung vom Schuldienst nach Saint-Denis gezogen, um bei seiner Tochter und ihrem Mann Pascal von der örtlichen Versicherungsagentur zu wohnen. Als Achtzehnjähriger war Monsieur Jackson 1945 in den letzten Kriegswochen eingezogen worden, weshalb er nun als Kampfgenosse ein Anrecht darauf hatte, an der Siegesparade teilzunehmen. Eines Tages, dachte Bruno, würde er auch einen waschechten Amerikaner ausfindig machen, doch in diesem Jahr sollte noch Karim als Star des Rugbyteams das Sternenbanner tragen.
    Auf ein Zeichen des Bürgermeisters legte die Blaskapelle der Stadt mit der
Marseillaise
los. Bruno und die Gendarmen salutierten, als Jean-Pierre die französische Fahne hisste. Die kleine Prozession setzte sich in Bewegung und marschierte über die Brücke, gefolgt von einer Dreierreihe aus denjenigen Männern, die in der Nachkriegszeit ihren Militärdienst abgeleistet hatten und es als eine ehrenvolle Pflicht ansahen, an der Parade teilzunehmen. Ihnen folgten die Angehörigen von jung bis alt, und Bruno bemerkte, dass auch Karims Familie gekommen war, um ihren Fahnenträger zu sehen. Den Abschluss bildete eine Schar kleiner Jungen, die mit piepsigen Stimmen die Hymne trällerten. Nach der Brücke ging es nach links, entlang dem Fluss und über den Parkplatz hin zum Kriegerdenkmal, einem bronzenen Soldatenstandbild, das an
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