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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein
Autoren: Donna Leon
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zu gehen, aber bei dieser Kälte und so spät nachts ziehe ich es vor, mit der Barkasse nach Hause zu fahren«, sagte er.
    Paarweise schritten sie durch den salone, in dem keine Spur geblieben war von den Drinks, die man ihnen dort serviert hatte; in der Eingangshalle halfen ihnen zwei Diener in die Mäntel. Brunetti sagte leise zu Paola: »Und da jammern die Leute immer, wie schwer es heutzutage sei, gute Hausangestellte zu finden.« Sie grinste, aber neben ihm prustete jemand. Als er sich umdrehte, sah er nur Franca Marinellos unbewegtes Gesicht.
    Auf dem Hof tauschte man höfliche Abschiedsworte aus. Cataldo und seine Frau wurden zur porta d'acqua und ihrem Boot gebracht; Rocchetto und seine Frau wohnten nur drei Häuser weiter; und das andere Paar wandte sich in Richtung Accademia, nachdem sie Paolas Vorschlag, sie und Brunetti könnten sie noch nach Hause begleiten, mit einem Scherz abgetan hatten.
    Arm in Arm traten Brunetti und Paola den Heimweg an. Als sie an der Universität vorbeikamen, fragte Brunetti: »Hast du dich gut unterhalten?«
    Paola blieb stehen, sah ihm in die Augen und fragte kühl zurück: »Und was, mit Verlaub, sollte das Ganze?«
    Brunetti stutzte. »Ich bitte um Verzeihung?«
    »Bittest du um Verzeihung, weil du meine Frage nicht verstehst oder weil du den ganzen Abend mit Franca Marinello geredet und alle anderen ignoriert hast?«
    Verblüfft von ihrer Heftigkeit beteuerte er: »Aber sie liest Cicero.«
    »Cicero?«, fragte Paola nicht weniger verblüfft.
    »Über den Staat, die Briefe und seine Anklage gegen Verres. Sogar die Gedichte«, sagte er. Plötzlich fror ihn, und er nahm ihren Arm und ging die Brücke hoch; sie ließ sich ziehen, aber oben angekommen, blieb sie stehen.
    Paola trat einen Schritt zurück, ließ aber seine Hand nicht los. »Dir ist hoffentlich klar, dass du mit der einzigen Frau in dieser Stadt verheiratet bist, die sich mit einer derartigen Erklärung zufrieden gibt?«
    Ihre Frage brachte ihn zum Lachen. Sie fuhr fort: »Übrigens war es interessant, so vielen Leuten bei der Arbeit zuzusehen.«
    »Arbeit?«
    »Arbeit«, wiederholte sie und schritt die Brücke auf der anderen Seite hinunter.
    Als Brunetti sie eingeholt hatte, erklärte sie: »Franca Marinello hat sich angestrengt, dich mit ihrer Klugheit zu beeindrucken. Du hast dich angestrengt, herauszufinden, wie es möglich ist, dass eine Frau, die aussieht wie sie, Cicero liest. Cataldo hat sich angestrengt, meinen Vater zu überreden, bei ihm zu investieren, und mein Vater hat angestrengt versucht herauszufinden, ob er das tun soll oder nicht.«
    »Investieren? In was?«, fragte Brunetti. Cicero war vergessen.
    »In China«, sagte sie.
    »Oddio«, war das Einzige, was Brunetti dazu einfiel.

2
    W arum um Himmels willen sollte er in China investieren?«, wollte Brunetti wissen.
    Sie machte abrupt halt. Sie standen vor der Kantine der Feuerwehr; die Fenster waren zu dieser Stunde dunkel, keine Essensgerüche strömten auf die calle hinaus. Ihm war das wirklich ein Rätsel. »Warum China?«, wiederholte er.
    Sie schüttelte betont fassungslos den Kopf und sah sich um, als suche sie verständnisvolle Ohren. »Bitte, kann mir jemand sagen, wer dieser Mann da ist? Ich glaube, morgens sehe ich ihn manchmal neben mir im Bett, aber mein Mann kann das nicht sein.«
    »Ach, hör auf, Paola. Erklär es mir einfach«, sagte er plötzlich müde und nicht in der Stimmung für Scherze.
    »Wie kannst du täglich zwei Zeitungen lesen und keine Ahnung haben, warum jemand daran interessiert sein könnte, in China zu investieren?«
    Er nahm ihren Arm und ging los. Es hatte keinen Sinn, das auf offener Straße zu besprechen; das konnten sie auch auf dem Heimweg tun oder zu Hause im Bett. »Natürlich weiß ich das alles«, sagte er. »Die boomende Wirtschaft, glänzende Gewinnaussichten, rasant steigende Aktienkurse, kein Ende in Sicht. Aber warum sollte dein Vater sich daran beteiligen?«
    Wieder wurden Paolas Schritte langsamer; da er weitere Sticheleien fürchtete, behielt er sein Tempo bei und zog sie mit. »Weil mein Vater den Kapitalismus im Blut hat, Guido.
    Weil die Faliers seit Jahrhunderten Kaufleute sind und weil Kaufleute von Natur aus auf Geldvermehrung aus sind.«
    »Und das«, bemerkte Brunetti, »aus dem Mund einer Literaturprofessorin, der Geld angeblich wenig bedeutet.«
    »Weil ich der letzte Spross der Familie bin, Guido. Ich werde die Letzte sein, die unseren Namen trägt. Unsere Kinder tragen deinen.« Ihre
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