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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein
Autoren: Donna Leon
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dass ich das Zeug zum Schriftsteller habe?« Wie schön, wenn sie mit Ja antworten würde.
    Sie tat die Frage mit einer Handbewegung ab und drehte sich nach ihm um: »Das macht es so interessant, mit dir zusammenzuleben.« Damit ging sie die Brücke auf der anderen Seite hinunter.
    Noch besser als Schriftsteller sein, dachte Brunetti und folgte ihr.
    Brunetti sah auf seine Uhr, während Paola am portone ihres Elternhauses klingelte. »So viele Jahre, und du hast immer noch keinen Schlüssel?«, fragte er.
    »Stell dich doch nicht so an«, sagte sie. »Natürlich habe ich einen Schlüssel. Aber wir sind eingeladen, und da ist es besser, wenn wir uns wie Gäste anmelden.«
    »Heißt das, wir müssen uns auch wie Gäste benehmen?«, fragte Brunetti.
    Was auch immer Paola darauf hätte antworten können, blieb ungesagt, da ihnen in diesem Moment ein Mann, den sie beide nicht kannten, das Hoftor öffnete. Er lächelte, deutete etwas zwischen einem Nicken und einer Verbeugung an und zog das Tor vollständig auf.
    Paola dankte ihm, und sie gingen über den Hof auf die Treppe zu, die zum Palazzo hinaufführte. »Keine Livree«, flüsterte Brunetti entrüstet. »Keine Perücke? Mein Gott, wie tief ist die Welt gesunken? Demnächst essen die Dienstboten noch bei den Herrschaften mit an der Tafel, und dann verschwindet nach und nach das Silberbesteck. Wo soll das nur enden? Dass Luciana deinem Vater mit einem Fleischerbeil nachrennt?«
    Paola blieb abrupt stehen und drehte sich schweigend zu ihm um. Sie strafte ihn mit jenem Blick, den sie immer zur Schau trug, wenn er zu weit gegangen war.
    »Si, tesoro?«, fragte er honigsüß.
    »Ich schlage vor, Guido, wir warten hier ein Weilchen, bis du deine komischen Bemerkungen über die gesellschaftliche Stellung meiner Eltern losgeworden bist, und wenn du dich beruhigt hast, gehen wir nach oben zu den anderen Gästen, und du benimmst dich beim Essen wie ein halbwegs zivilisierter Zeitgenosse. Was sagst du dazu?«
    Brunetti nickte. »Gefällt mir, besonders der ›halbwegs zivilisierte Zeitgenosse‹.«
    Sie strahlte ihn an: »Das dachte ich mir, mein Lieber.« Dann wandte sie sich um, und als sie die Treppe hochstieg, folgte Brunetti ihr auf dem Fuß.
    Paola hatte die Einladung ihres Vaters bereits vor einiger Zeit angenommen und Brunetti erklärt, Conte Falier wolle seinen Schwiegersohn mit einer guten Freundin der Contessa bekannt machen.
    Die Liebe seiner Schwiegermutter hatte Brunetti im Lauf der Jahre anzunehmen gelernt, ohne sie zu hinterfragen, aber was den Conte betraf, war er sich nie sicher, ob jener eigentlich in ihm einen Emporkömmling sah, der sich die Zuneigung seines einzigen Kindes erschlichen hatte, oder einen Mann von Talent und Verdiensten. Nach kurzem Nachdenken akzeptierte Brunetti, dass dem Conte ohne weiteres zuzutrauen war, beides zugleich in ihm zu sehen.
    Ein zweiter Unbekannter erwartete sie oben an der Treppe, und als er mit einer leichten Verbeugung die Eingangstür aufschwingen ließ, strömte ihnen die Wärme aus dem Inneren des Palazzo entgegen. Paola dankte mit einem Nicken; Brunetti folgte ihr hinein.
    Schon im Vestibül vernahmen sie die Stimmen aus dem großen Salon, der auf den Canal Grande hinaussah. Der Mann nahm ihnen schweigend die Mäntel ab und zog die Tür einer beleuchteten Garderobe auf. Brunetti riskierte einen Blick hinein; im hintersten Winkel hing, abgesondert von den anderen, ein besonders kostbarer Pelzmantel.
    Die Stimmen lockten sie in den Salon. Als Brunetti und Paola eintraten, standen ihre Gastgeber vor dem mittleren Fenster. Sie wandten Brunetti und Paola das Gesicht zu, während die sie umringenden Gäste die Aussicht auf die Palazzi am anderen Ufer des Canal Grande genossen, und Brunetti, der die Gäste nur von hinten sah, erkannte unter ihnen das Paar, dem sie vorhin auf der Straße begegnet waren; oder aber es gab noch einen zweiten untersetzten, weißhaarigen Mann mit einer großen blonden Gefährtin, die schwarze Stöckelschuhe trug und ihr Haar zu einem kunstvollen Knoten geschlungen hatte. Sie hielt sich ein wenig abseits, schaute aus dem Fenster und schien sich wenig für die Gäste zu interessieren.
    Zwei weitere Paare standen links und rechts von seinen Schwiegereltern. Er erkannte den Anwalt des Conte und seine Frau; die anderen beiden waren eine alte Freundin der Contessa, die sich ebenso wie die Contessa für wohltätige Zwecke engagierte, und ihr Mann, der Rüstungsgüter und Bergbautechnik an Länder der
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