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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima
Autoren: Donna Leon
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ohnehin schon über hundert Millionen Lire pro Jahr für einen Anwalt, nur um der Prozesse Herr zu werden, mit denen man meine anderen Filialen traktiert. Wenn ich jetzt eine Zivilklage gegen städtische Beamte einreiche, die mich mutwillig an der Ausübung meiner Geschäfte hindern oder womit auch immer mein Anwalt sie belangen könnte, dann würde mich das noch mehr kosten; so ein Verfahren könnte sich über Jahre hinziehen, und am Ende käme doch nichts dabei heraus.«
    »Warum bist du dann überhaupt zu mir gekommen?« fragte Brunetti.
    »Ich wollte wissen, ob du vielleicht etwas unternehmen könntest? Gesetzt den Fall, ich würde die Scheine markieren oder so...« Marcos Stimme verhallte, und er preßte die Hände zusammen. »Es geht mir wirklich nicht ums Geld, Guido. Bei dem Umsatz, den ich mit diesem Ramsch mache, hole ich das in ein paar Monaten spielend wieder rein. Aber ich bin's ein für allemal leid, unter solchen Bedingungen arbeiten zu müssen. Ich habe Filialen in Paris und Zürich, und dort wären solche Schikanen undenkbar. Man beantragt eine Baugenehmigung, die Behörden bearbeiten deine Papiere, und wenn sie damit durch sind, erteilen sie dir die Bewilligung, und du kannst loslegen. Ohne daß dir auch nur ein Mensch an die Brieftasche geht.« Seine Faust donnerte auf den Tisch. »Kein Wunder, daß diese Stadt so auf den Hund gekommen ist.« Seine Stimme schwoll an und klang plötzlich so schrill und gellend, daß Brunetti schon fürchtete, Marco würde vollends die Beherrschung verlieren. »Hier hat man als Geschäftsmann keine Chance. Diese Scheißbeamten saugen uns doch aus bis aufs Blut.« Wieder knallte seine Hand auf den Tisch. Die Gäste an der Theke und der Wirt schauten her, aber da das, worüber Marco sich so ereiferte, keinem Italiener fremd war, nickten sie nur zustimmend und setzten ihre Unterhaltung fort.
    Brunetti wußte nicht, ob Marcos vernichtendes Urteil speziell auf Venedig oder auf ganz Italien gemünzt war. Was indes kaum eine Rolle spielte: Er hätte so oder so recht gehabt.
    »Was wirst du nun tun?« fragte Brunetti, und beide wußten, was die Frage bedeutete: Er würde Marco nicht helfen können. Als Freund mochte er ihn bedauern und seine Wut teilen, aber als Polizist war er machtlos. Die Bestechungssumme würde in bar ausbezahlt werden und folglich keine Spuren hinterlassen. Und wenn Marco sich offiziell über ein Mitglied der Planungskommission beschwerte, konnte er seine Läden gleich schließen und sich aus dem Geschäftsleben zurückziehen, denn er würde niemals mehr irgendeine Genehmigung bekommen, egal wie belanglos, egal wie dringlich.
    Marco rückte lächelnd ans Ende der Bank. »Wahrscheinlich wollte ich bloß mal Dampf ablassen. Oder vielleicht wollte ich dich auch mit der Nase drauf stoßen, was hier läuft, Guido, weil du doch sozusagen für die arbeitest, und falls das der Grund war, dann tut's mir leid, und ich entschuldige mich.« Marcos Stimme klang wieder ganz gefaßt, aber Brunetti hatte seine Finger im Blick, die gerade alle vier Kanten einer Papierserviette zu akkuraten Dreiecken falteten.
    Brunetti war selbst überrascht, wie sehr es ihn kränkte, daß einer von seinen Freunden annehmen konnte, er arbeite für »die«. Andererseits, wenn nicht für »die«, für wen arbeitete er dann?
    »Nein, ich glaube nicht, daß das der Grund war«, sagte er endlich. »Hoffe ich wenigstens. Und auch mir tut es leid, weil ich nichts tun kann. Aber wenn ich dir zu einer Anzeige rate, könnte ich dir auch gleich empfehlen, dich umzubringen, und das will ich denn doch nicht.« Wie schaffte Marco es bloß, ständig neue Läden zu eröffnen, wenn man ihm immerfort solche Knüppel zwischen die Beine warf? Brunetti dachte an den rastlosen Jungen, den mit den hochfliegenden Träumen, der drei Jahre hintereinander mit ihm die Schulbank geteilt hatte, und er erinnerte sich, daß Marco, obwohl er nie lange stillsitzen konnte, doch immer wieder die Geduld aufbrachte, eine Aufgabe zu Ende zu führen, ehe er die nächste in Angriff nahm. Vielleicht war der Freund ja so ähnlich programmiert wie eine Biene und konnte gar nicht anders, als sich mit Feuereifer in eine Arbeit zu stürzen, um, sobald er damit fertig war, zur nächsten davonzufliegen.
    »Also dann«, sagte Marco, rutschte von der Bank und erhob sich. Er langte in die Tasche, aber Brunetti gebot ihm mit einer Geste Einhalt. Marco verstand, zog die Hand zurück und streckte sie Brunetti hin, der sitzen geblieben
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