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Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti

Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti

Titel: Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
Autoren: Donna Leon
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Trüffel aus Frankreich, Schinken aus Dänemark, Bier aus England und sehr altem Brandy aus Spanien. Bei dieser Gelegenheit hatte er sich auch über die verschiedenen Führungsstile kundig gemacht, die den Bürokraten der jeweiligen Länder eingefallen waren. So war er am Ende dieses Lehrgangs nach Italien zurückgekehrt, die Koffer voll Räucherlachs und irischer Butter, den Kopf voll progressiver Ideen, wie man mit den Leuten umzugehen habe, die für einen arbeiteten. Deren erste - und bisher einzige, von der die Mitarbeiter der Questura etwas zu spüren bekamen - waren diese wöchentlichen ›convocations du personnel‹, endlose Sitzungen, auf denen die ganze Belegschaft über Fragen von unübertroffener Banalität zu diskutieren und sie von allen Seiten zu beleuchten hatte, um alles anschließend gleich wieder zu vergessen.
    Als das vor zwei Monaten angefangen hatte, war Brunetti noch mit den meisten anderen der Meinung gewesen, es würde nach höchstens zwei Wochen wieder vorbei sein, aber nun war nach acht Wochen noch immer kein Ende abzusehen. Nach der zweiten Sitzung hatte Brunetti begonnen, seine Zeitung mitzunehmen, doch das hatte Tenente Scarpa, Pattas persönlicher Assistent, schnell unterbunden, indem er Brunetti wiederholt gefragt hatte, ob die Vorgänge in der Stadt ihn wirklich so wenig interessierten, daß er während der Sitzungen die Zeitung lese. Er hatte es daraufhin mit einem Buch versucht, aber nie eines gefunden, das klein genug war, um es mit den Händen verdecken zu können.
    Die Erlösung war, wie schon so oft in den letzten Jahren, von Signorina Elettra gekommen. Am Morgen der fünften Sitzung war sie zehn Minuten vorher in seinem Zimmer erschienen und hatte ihn ohne weitere Erklärung um zehntausend Lire gebeten.
    Er hatte sie ihr gegeben und dafür von ihr zwanzig Fünfhundertliremünzen bekommen. Auf seinen fragenden Blick hin hatte sie ihm noch ein kleines Kärtchen gegeben, kaum größer als eine CD-Hülle.
    Die Karte war in fünfundzwanzig gleich große Quadrate unterteilt, und in jedem stand in winziger Schrift ein Wort oder ein Satz. Einige konnte Brunetti nur lesen, wenn er sie sich ganz dicht vor die Augen hielt: »Maximieren«, las er, oder »Prioritäten«, »Auslagerung«, »Vernetzung«, »Schnittstelle«, »Anliegen« und was es sonst noch an Worthülsen gab, die sich in den letzten Jahren in die Sprache eingeschlichen hatten.
    »Was ist das?« fragte er.
    »Bingo«, lautete Signorina Elettras schlichte Antwort. Bevor er nachfragen konnte, erklärte sie es ihm schon: »Meine Mutter hat das immer gespielt. Man wartet, bis jemand eines der Wörter auf dieser Karte benutzt - alle Karten sind verschieden -, und sowie man es hört, legt man eine Münze darauf. Wer als erster fünf Wörter in einer Reihe hat, gewinnt.«
    »Gewinnt was?«
    »Die Einsätze aller anderen Mitspieler.«
    »Welcher anderen?«
    »Das werden Sie sehen«, hatte sie gerade noch antworten können, bevor sie zur Sitzung gerufen wurden.
    Und von diesem Tag an waren die Sitzungen erträglich gewesen, wenigstens für die Besitzer dieser Kärtchen. Am ersten Tag waren das nur Brunetti, Signorina Elettra und eine Kommissarin gewesen, die gerade aus dem Mutterschaftsurlaub zurückgekommen war. Inzwischen war aber die Zahl derer, die so ein Kärtchen auf dem Schoß oder in ihrem Notizblock hatten, ständig gestiegen, und Woche für Woche fand Brunetti die Frage, wer alles mitspielte, ebenso spannend wie das Spiel selbst. Außerdem änderten sich jede Woche die Wörter, und zwar in Übereinstimmung mit den wechselnden Vorlieben in Pattas Sprachgebrauch. Manchmal spiegelten sie die Versuche des Vice-Questore wider, sich weltmännisch oder multikulturell zu gebärden - ein Wort, das ebenfalls schon vorgekommen war -, oder seine Bemühungen, sich des Vokabulars von Sprachen zu bedienen, die er nicht beherrschte, wie ›voodoo economics‹, ›performance‹ oder ›Wirtscbaftsaufschwung‹.
    Brunetti war eine halbe Stunde vor dem angesetzten Beginn der Veranstaltung in der Questura. Weder Ruberti noch Bellini hatten noch Dienst, als er ankam, und ein anderer gab ihm die Protokolle der vergangenen Nacht, als er danach fragte. Scheinbar unbeteiligt blätterte er sie durch: Einbruch in Dorsoduro, während die Bewohner in Urlaub waren; Schlägerei zwischen Seeleuten eines türkischen Frachters und eines griechischen Kreuzfahrtschiffes in einer Bar in Santa Marta; drei der Beteiligten waren in der Ambulanz des Ospedale
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