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Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti

Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti

Titel: Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
Autoren: Donna Leon
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mehr der Wut freien Lauf ließ, die ihn erfüllte, seit er aus dem Bett gestiegen war, die ihn durch die Straßen begleitet hatte und jetzt in dieser morgendlich stillen Bar neben ihm stand.
    »Es ist dasselbe«, fuhr er fort. »Du entscheidest nach eigenem Gutdünken und ganz allein für dich, daß etwas unrecht ist, und dann hältst du dich für so wichtig, daß nur du etwas dagegen tun kannst, nur du die ganze Wahrheit erkennst.«
    Er dachte, sie würde an dieser Stelle etwas sagen, aber als sie schwieg, redete er wie unter Zwang weiter: »Das war heute nacht ein perfektes Beispiel. Was willst du erreichen? Daß du mit Bild auf die Titelseite des Gazzettino kommst, du, die große Beschützerin kleiner Kinder?« Er mußte sich zwingen, hier abzubrechen. Er griff in seine Tasche, ging zum Barmann und bezahlte den Kaffee. Dann öffnete er die Tür und hielt sie ihr auf.
    Draußen wandte Paola sich nach links, ging ein paar Schritte weit und blieb dann stehen, bis er sie eingeholt hatte. »Siehst du das wirklich so? Ich meine, daß ich nur Aufmerksamkeit erregen und von den Leuten als wichtig angesehen werden will?«
    Er ging an ihr vorbei und ignorierte ihre Frage.
    Hinter sich hörte er ihre Stimme, zum erstenmal laut: »Siehst du das so, Guido?«
    Er blieb stehen und drehte sich nach ihr um. Von hinten kam ein Mann mit einem Karren voller Zeitungs- und Illustriertenbündel. Er wartete, bis der Mann vorbei war, und antwortete: »Ja. Zum Teil.«
    »Zu einem wie großen Teil?« schoß sie zurück.
    »Weiß ich nicht. Man kann das nicht so aufteilen.«
    »Du glaubst, das sei der Grund, warum ich das tue?«
    Seine Entrüstung legte ihm die Erwiderung in den Mund: »Warum muß für dich alles so ein Anliegen sein, Paola? Warum muß alles, was du tust oder liest oder sagst - oder anziehst und ißt, um Himmels willen -, warum muß das alles immer so bedeutungsschwer sein?«
    Sie sah ihn lange an, ohne etwas zu sagen, dann senkte sie den Kopf und ging an ihm vorbei, weiter nach Hause.
    Er holte sie ein. »Was sollte das heißen?«
    »Was sollte was heißen?«
    »Dieser Blick.«
    Sie blieb stehen und sah zu ihm auf. »Manchmal frage ich mich, wo der Mann geblieben ist, den ich einmal geheiratet habe.«
    »Und was soll das nun wieder heißen?«
    »Es heißt, Guido, daß du damals, als wir heirateten, an alle diese Dinge geglaubt hast, über die du dich jetzt lustig machst.« Noch ehe er fragen konnte, was das für Dinge seien, antwortete sie. »Dinge wie Gerechtigkeit und Recht, und daß man sich immer für das Rechte entscheiden soll.«
    »Daran glaube ich immer noch«, beharrte er.
    »Du glaubst jetzt an das Gesetz, Guido«, sagte sie, aber in sanftem Ton, als spräche sie mit einem Kind.
    »Genau das meine ich«, entgegnete er mit lauter Stimme, taub und blind für die Leute, die jetzt in immer größerer Zahl an ihnen vorbeigingen, denn demnächst würden schon die ersten Stände aufmachen. »Wenn man dich hört, ist das, was ich tue, dumm oder schmutzig. Herrgott noch mal, ich bin Polizist. Was würdest du denn anderes von mir wollen, als daß ich dem Gesetz gehorche? Und ihm Geltung verschaffe?« Er fühlte seinen ganzen Körper vor Wut glühen, als er sah oder zu sehen glaubte, daß sie die ganzen Jahre alles, was er tat, belächelt oder verachtet hatte.
    »Und warum hast du dann Ruberti angelogen?« fragte sie.
    Sein Zorn verflog. »Ich habe nicht gelogen.«
    »Du hast gesagt, es sei ein Mißverständnis gewesen, er habe nicht richtig verstanden, was ich meinte. Aber er weiß so genau wie du und ich oder auch wie dieser andere Polizist, was ich gemeint und was ich getan habe.« Als er schwieg, kam sie einen Schritt auf ihn zu. »Ich habe gegen Gesetze verstoßen, Guido. Ich habe dieses Schaufenster eingeschlagen und würde es jederzeit wieder tun. Und ich werde es so lange tun, bis dem Gesetz, dieses kostbare Gesetz, auf das du so stolz bist, sich endlich gegen sie oder gegen mich wendet. Weil ich nicht zulasse, daß sie einfach so weitermachen wie bisher.«
    Bevor er wußte, was er tat, hatte er die Arme ausgestreckt und sie bei den Ellbogen gefaßt. Aber er zog sie nicht an sich. Vielmehr machte er einen Schritt auf sie zu, legte die Arme um ihren Rücken und drückte ihr Gesicht gegen seinen Halsansatz. Er küßte sie auf den Kopf und grub sein Gesicht in ihr Haar. Plötzlich fuhr er zurück und faßte sich mit der Hand an den Mund.
    »Was ist?« fragte sie, zum erstenmal erschrocken.
    Brunetti nahm die Hand vom
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