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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen
Autoren: Donna Leon
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die plötzlich gestorben sind?«
    »Signor Lerini hatte es schon länger am Magen, aber sonst nichts«, sagte sie.
    Brunetti sah wieder auf der Liste nach. »Diese andere Frau, Signora Galasso. Hatte sie irgendwelche gesundheitlichen Probleme?«
    Er sah sie plötzlich erröten. »Das Schlimme ist, daß ich mir nicht sicher bin. Ich muß nur immer daran denken, was diese Frauen zu mir gesagt haben.« Sie hielt inne und blickte zu Boden. Schließlich sagte sie so leise, daß er sie nur mit Mühe verstehen konnte: »Ich mußte mit jemandem darüber sprechen.«
    »Maria«, sagte er, und nachdem er ihren Namen genannt hatte, wartete er, bis sie zu ihm aufsah. Dann sprach er weiter: »Ich weiß, daß es eine ernste Sache ist, falsches Zeugnis wider seinen Nächsten zu reden.« Sie zuckte zusammen, als hätte der Teufel aus der Bibel zitiert. »Aber es ist auch wichtig, die Schwachen zu schützen und alle, die sich nicht selbst schützen können.« Brunetti erinnerte sich nicht, das in der Bibel gelesen zu haben, aber er fand, es gehörte unbedingt hinein. Als sie darauf nichts sagte, fragte er: »Verstehen Sie das, Maria?« Und als sie immer noch nicht antwortete, fragte er es anders: »Stimmen Sie dem zu?«
    »Natürlich stimme ich dem zu«, sagte sie gereizt. »Aber wenn ich mich nun irre? Wenn ich mir das alles nur einbilde und diesen Leuten gar nichts zugestoßen ist? Dann wäre das doch üble Nachrede.«
    »Wenn Sie das glaubten, wären Sie wohl nicht hier. Schon gar nicht in dieser Kleidung.«
    Sie sagten beide eine Weile nichts, dann fragte Brunetti: »Waren diese Leute allein in ihren Zimmern, als sie starben?«
    Sie überlegte kurz. »Ja.«
    Brunetti schob die Liste zur Seite und wechselte, um seiner Geste auch verbal zu entsprechen, das Thema. »Wann haben Sie sich zu Ihrem Austritt entschlossen?«
    Ihre Antwort hätte kaum rascher kommen können, wenn sie die Frage erwartet hätte. »Nachdem ich mit der Mutter Oberin gesprochen hatte«, sagte sie, und eine Erinnerung ließ ihre Stimme kratzig klingen. »Zuerst habe ich aber mit Padre Pio gesprochen, meinem Beichtvater.«
    »Können Sie wiedergeben, was Sie zu den beiden gesagt haben?« Brunetti hatte der Kirche und all ihrem Getue und Gepränge schon so lange den Rücken gekehrt, daß er nicht mehr wußte, was man von einer Beichte weitersagen durfte und was nicht, und welche Strafen ein Zuwiderhandeln nach sich zog, er wußte nur noch, daß über die Beichte eigentlich nicht geredet werden sollte.
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Ist das derselbe Priester, der die Messe liest?«
    »Ja. Er gehört unserem Orden an, aber er wohnt nicht dort. Er kommt zweimal die Woche.«
    »Von woher?«
    »Von unserem Kloster hier in Venedig. Er war früher in dem anderen Pflegeheim schon mein Beichtvater.«
    Brunetti merkte, wie gern sie sich durch Details ablenken ließ, darum fragte er: »Was haben Sie ihm gesagt?«
    Sie überlegte kurz und rief sich wohl das Gespräch mit ihrem Beichtvater ins Gedächtnis: »Ich habe ihm von den Leuten erzählt, die gestorben sind, und daß einige vorher nicht krank waren«, sagte sie, dann brach sie ab und schaute weg.
    Als Brunetti sah, daß sie nicht weiterreden würde, fragte er: »Haben Sie sonst noch etwas gesagt, etwas über das Geld, oder was die Leute selbst darüber gesagt hatten?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Damals wußte ich davon gar nichts. Das heißt, es war mir nicht eingefallen, weil ihr Tod mich so mitgenommen hatte, also habe ich ihm nur das gesagt - daß sie gestorben waren.«
    »Und er?«
    Sie sah jetzt wieder Brunetti an. »Er hat gesagt, das verstehe er nicht. Da habe ich es ihm erklärt. Ich habe ihm die Namen der Verstorbenen genannt und was ich über ihre Krankengeschichte wußte, daß einige von ihnen kerngesund gewesen waren, bevor sie plötzlich starben. Er hat sich das alles angehört und gefragt, ob ich mir ganz sicher sei.« Dann fügte sie hinzu, als spräche sie mit sich selbst: »Nur weil ich aus Sizilien stamme, halten die Leute hier oben mich immer für dumm. Oder verlogen.«
    Brunetti warf einen Blick zu ihr hinüber, um zu sehen, ob in ihrer Bemerkung ein Tadel, ein Kommentar zu seinem eigenen Verhalten versteckt war, aber offenbar war das nicht der Fall.
    »Ich denke, er konnte einfach nicht glauben, daß so etwas möglich war. Und«, fuhr sie fort, »als ich sagte, so viele Todesfälle auf einmal seien nicht normal, fragte er mich, ob ich wisse, wie gefährlich es sei, solche Dinge zu verbreiten. Wie
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