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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta
Autoren: Donna Leon
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hinzusetzen, und beim Gehen blieb ihnen wenigstens warm. Er konnte auch in der Questura anrufen und ein Boot kommen lassen, aber wahrscheinlich waren sie zu Fuß schneller da.
    »Ja, gern«, sagte sie. »Ich werde die Stadt nicht mehr zu sehen bekommen.«
    Brunetti fand das melodramatisch, aber er sagte nichts. Er wandte sich nach rechts, und sie gingen am Kanal entlang. Als sie zur ersten Brücke kamen, sagte sie: »Haben Sie etwas dagegen, wenn wir über die Rialtobrücke gehen? Ich habe die Strada Nuova nie sonderlich gemocht.«
    Ohne etwas zu sagen, ging Brunetti weiter am Kanal entlang, bis sie zu der Brücke kamen, die sie zum Campo Tolentini und von dort durch Seitengäßchen zur Rialtobrücke führte. Sie ging in gemessenem Tempo und schien die Gebäude, an denen sie vorbeikamen, nicht sonderlich zu beachten. Manchmal war Brunetti mit seinem schnelleren Schritt ihr voraus, dann blieb er an einer Ecke oder am Fuß einer Brücke stehen und wartete auf sie. Sie kamen beim Fischmarkt heraus und gingen weiter zur Rialtobrücke. Mitten auf der Brücke blieb sie nur ganz kurz stehen und blickte nach rechts und links auf den stillen Canal Grande. Sie verließen die Brücke und überquerten den Campo San Bartolomeo. Ein Wachmann mit einem Schäferhund an der Leine begegnete ihnen, aber keiner sagte etwas.
    Es war fast vier Uhr, als sie zur Questura kamen. Als Brunetti an die schwere Glastür klopfte, ging im Wachraum rechts neben dem Eingang Licht an. Ein verschlafener Wachposten kam heraus und spähte durch die Scheibe. Als er Brunetti erkannte, öffnete er die Tür und salutierte.
    »Buon giorno, commissario«, sagte er, dann sah er die Frau an, die neben seinem Vorgesetzten stand.
    Brunetti erwiderte den Gruß und fragte, ob eine Polizistin heute nacht Dienst habe. Als der Posten verneinte, befahl Brunetti ihm, die erste auf der Bereitschaftsliste anzurufen und ihr zu sagen, sie solle unverzüglich in die Questura kommen. Er entließ den Posten und führte Signora Ceroni durch die Eingangshalle und die Treppe hinauf zu seinem Büro. Die Heizung war heruntergedreht, so daß es im ganzen Gebäude kühl und die Luft feucht war. Oben im vierten Stock öffnete Brunetti die Tür zu seinem Büro und ließ Signora Ceroni den Vortritt.
    »Ich möchte auf die Toilette«, sagte sie.
    »Bedaure. Erst wenn eine Beamtin da ist.«
    Sie lächelte. »Haben Sie Angst, ich könnte mich umbringen, Commissario?« Und als er nicht antwortete, sagte sie: »Glauben Sie mir, ich bin keine, die so etwas tut.«
    Er bot ihr einen Stuhl an und ging hinter seinen Schreibtisch, wo er im Stehen einige Papiere durchsah. Sie redeten beide nicht weiter in der Viertelstunde, bis die Beamtin kam, eine Frau mittleren Alters und schon seit Jahren im Polizeidienst.
    Als sie in sein Büro trat, sah Brunetti zu Signora Ceroni und fragte: »Möchten Sie eine Aussage machen? Agente Di Censo wäre Zeugin.«
    Signora Ceroni schüttelte den Kopf.
    »Möchten Sie Ihren Anwalt anrufen?«
    Wieder eine stumme Verneinung.
    Brunetti wartete noch kurz, dann wandte er sich an die Polizistin. »Bringen Sie Signora Ceroni bitte in eine Zelle. Nummer vier. Die ist geheizt. Wenn sie es sich noch anders überlegt, darf sie ihren Anwalt und ihre Angehörigen anrufen.« Dabei sah er Signora Ceroni an, aber sie schüttelte erneut den Kopf.
    Brunetti wandte sich wieder an Agente Di Censo. »Sie darf keine sonstigen Kontakte haben, weder mit jemandem innerhalb noch außerhalb der Questura. Haben Sie verstanden?«
    »Ja, Commissario«, sagte die Polizistin und fragte: »Soll ich bei ihr bleiben, Commissario?«
    »Ja, bis Sie abgelöst werden.« Und an Signora Ceroni gewandt: »Wir sehen uns später, Signora.«
    Sie nickte, ohne etwas zu sagen, stand auf und folgte Agente Di Censo nach draußen. Brunetti horchte den Schritten der beiden Frauen auf der Treppe nach: fest und gleichmäßig die der Polizistin, dazwischen Signora Ceronis hohe Absätze mit diesem hellen Klick-Klack, das ihn vorhin noch zum Piazzale Roma und damit zur Mörderin der drei Männer geführt hatte.
    Er schrieb einen kurzen Bericht, in dem er das Wesentliche seiner Unterredung mit Signora Ceroni wiedergab, einschließlich ihrer Weigerung, ihren Anwalt anzurufen oder ein förmliches Geständnis abzulegen. Den Bericht hinterlegte er bei der Wache am Eingang mit der Anweisung, ihn Vice-Questore Patta oder Tenente Scarpa zu übergeben, wenn einer der beiden in die Questura käme.
    Es war kurz vor fünf, als er
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