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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta
Autoren: Donna Leon
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neben Paola ins Bett schlüpfte. Sie regte sich, drehte sich zu ihm, legte einen Arm über sein Gesicht und murmelte etwas, das er nicht verstand. Während er in Schlaf sank, brachte die Erinnerung ihm nicht wieder das Bild der sterbenden Frau vor Augen, sondern Chiara, die ihren Stoffhund hochhielt. Bello. Blöder Name für einen Hund, dachte er, dann schlief er ein.

28
    Als Brunetti am nächsten Morgen aufwachte, war Paola schon aus dem Haus, hatte ihm aber einen Zettel hingelegt, auf dem stand, Chiara sei offenbar wieder obenauf und ganz normal zur Schule gegangen. Obwohl ihn das in gewisser Weise tröstete, konnte es seinen Kummer über den Schmerz, den sein Kind erlebt hatte, doch nicht ganz lindern. Er trank einen Kaffee, duschte ausgiebig und trank noch einen Kaffee, aber die bleierne Schwere, die ihm von den Geschehnissen der letzten Nacht noch in Kopf und Körper steckte, ließ sich nicht abschütteln. Er erinnerte sich an Zeiten, in denen er nach einer schlaflosen Nacht, nach erlebtem Grauen sofort wieder dagewesen war und auf der Suche nach Wahrheit, oder was er für Gerechtigkeit hielt, tagelang durcharbeiten konnte. Damit war es vorbei. Der Wille, der ihn trieb, war allenfalls noch verbissener geworden, aber das Nachlassen der Körperkräfte war nicht zu leugnen.
    Er schob diese Gedanken von sich fort und verließ die Wohnung, froh über die beißend kalte Luft und die belebten Straßen. Als er an einem Zeitungskiosk vorbeikam, überflog er - obwohl er wußte, daß es zu früh war - die Schlagzeilen nach einer Meldung über die nächtliche Festnahme.
    Es war fast elf Uhr, als er in die Questura kam, wo man ihn wie üblich mit Salutieren oder Kopfnicken begrüßte, und wenn es ihn ein bißchen wunderte, daß ihm niemand gratulieren kam, weil er ganz allein die Mörderin Trevisans, Faveros und Lottos dingfest gemacht hatte, so ließ er es sich nicht anmerken.
    Auf seinem Schreibtisch fand er zwei Notizzettel von Signorina Elettra, beide des Inhalts, daß der Vice-Questore ihn zu sprechen wünsche. Er ging sofort nach unten und fand Signorina Elettra an ihrem Arbeitsplatz.
    »Ist er da?«
    »Ja«, sagte sie, indem sie aufsah, aber nicht lächelte. »Und nicht in bester Stimmung.«
    Brunetti verkniff sich die Frage, ob denn Patta jemals guter Stimmung sei, und fragte statt dessen: »Weswegen?«
    »Wegen der Überstellung.«
    »Der was?« fragte Brunetti, nicht eigentlich interessiert, aber jederzeit gern bereit, eine Unterredung mit Patta hinauszuschieben; ein paar Minuten bei Signorina Elettra boten dazu die angenehmste Möglichkeit, die er bisher entdeckt hatte.
    »Überstellung«, wiederholte sie. »Überstellung der Gefangenen, die Sie heute nacht eingeliefert haben, Commissario.« Sie mußte einen Anruf annehmen. »Sì?« fragte sie, dann rasch: »Nein, geht nicht.« Sie legte ohne ein weiteres Wort auf und sah Brunetti wieder an.
    »Was ist passiert?« fragte er ruhig. Ob Signorina Elettra wohl hörte, wie sein Herz dabei klopfte?
    »Heute vormittag kam ein Anruf aus dem Justizministerium, die Frau gehöre nach Padua und solle dorthin überführt werden.«
    Brunetti legte beide Hände auf ihren Schreibtisch und stützte sich mit seinem ganzen Gewicht darauf.
    »Wer hat diesen Anruf entgegengenommen?«
    »Das weiß ich nicht. Einer von den Männern unten. Ich war noch gar nicht hier. Und gegen acht kamen dann ein paar Männer vom Staatsschutz mit irgendwelchen Papieren.«
    »Und haben sie mitgenommen?«
    »Ja. Nach Padua.«
    Entsetzt sah Signorina Elettra, wie Brunetti die Hände zu Fäusten ballte und mit seinen Nägeln acht lange Kratzer auf der polierten Fläche ihres Schreibtischs hinterließ.
    »Was ist los, Commissario?«
    »Ist sie da angekommen?« fragte er.
    »Ich weiß es nicht.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Sie sind schon drei Stunden weg, etwas länger. Müßten eigentlich schon dort sein.«
    »Rufen Sie an«, sagte Brunetti mit heiserer Stimme.
    Als sie nichts tat und ihn nur anstarrte, verwundert über seine plötzliche Wandlung, wiederholte er, diesmal lauter: »Rufen Sie an. Rufen Sie della Corte an.« Noch bevor sie etwas tun konnte, riß er ihren Apparat an sich und hieb auf die Tasten.
    Della Corte nahm beim dritten Klingeln ab.
    »Guido hier. Ist sie da?« fragte Brunetti ohne Einleitung.
    »Ciao, Guido«, antwortete della Corte. »Ist wer hier? Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
    »Ich habe heute nacht eine Frau festgenommen. Sie hat alle drei umgebracht.«
    »Hat sie
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