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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta
Autoren: Donna Leon
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vorzuschieben, ganz und gar nicht. Ich lebe sehr gut davon. Warum sollte ich da einen Riegel vorschieben wollen?«
    »Weil man den Frauen das alles antut, dasselbe, was auch Ihnen widerfahren ist.«
    Sie sprach jetzt schneller, aber aus Ungeduld, nicht aus Zorn. »Das würde ihnen überall so ergehen, egal, wo. Sie wären auch in ihren Heimatländern Huren und Opfer.«
    »Werden nicht manche von ihnen umgebracht?«
    »Was wollen Sie von mir, Commissario? Daß ich sage, ich nähme Rache für alle armen toten Prostituierten dieser Welt? Das ist nicht der Fall. Ich versuche, Ihnen zu erklären, warum ich es getan habe. Wenn man diese Männer verhaftet hätte, wäre alles herausgekommen. Ich wäre ebenso verhaftet worden. Und was wäre passiert? Sie hätten ein paar Monate in Untersuchungshaft gesessen, und was dann? Geldstrafe? Ein Jahr Gefängnis? Zwei? Finden Sie, das wäre genug für das, was sie getan haben?«
    Brunetti war zu müde, um mit dieser Frau ethische Fragen zu diskutieren. »Wie haben Sie es gemacht?« Er wollte sich mit Fakten begnügen.
    »Ich wußte, daß Trevisan und Favero zum Essen verabredet waren, und ich wußte, mit welchem Zug Trevisan immer zurückfuhr. Ich habe denselben Zug genommen. Der Zug ist auf dem letzten Fahrtabschnitt vor Venedig immer ziemlich leer, es war also ganz einfach.«
    »Hat er Sie erkannt?«
    »Ich weiß es nicht. Es ging alles sehr schnell.«
    »Woher hatten Sie die Waffe?«
    »Von einem Freund«, sagte sie, ohne dazu Näheres zu erklären.
    »Und Favero?«
    »Während unseres Essens ist er zur Toilette gegangen, und ich habe ihm ein Schlafmittel in seinen Vin Santo getan. Ich hatte ihn eine halbe Flasche bestellen lassen, weil er so süß ist, daß er den Geschmack überdecken würde.«
    »Und dann bei ihm zu Hause?«
    »Er sollte mich zum Bahnhof fahren, damit ich den Zug nach Venedig erreichte. Aber auf halbem Weg ist er an einer roten Ampel eingeschlafen. Ich habe ihn auf den Beifahrersitz gezogen, mich selbst ans Steuer gesetzt und den Wagen zu seinem Haus gefahren. Er hatte so einen automatischen Türöffner für die Garage, also habe ich das Tor geöffnet, bin hineingefahren und habe den Motor laufenlassen, dann habe ich ihn wieder hinters Steuer gesetzt und schnell auf den Knopf gedrückt, der die Garage schloß. Während das Tor zuging, bin ich hinaus gerannt.«
    »Lotto?«
    »Er rief mich an und sagte, er mache sich Sorgen und wolle mit mir über die Ereignisse sprechen.« Brunetti betrachtete ihr Profil, das im Scheinwerferlicht der wenigen Autos, die an ihnen vorbeifuhren, immer wieder kurz zu sehen war. Ihre Miene blieb bei alledem ganz ruhig. »Ich habe ihm gesagt, wir sollten uns besser außerhalb der Stadt treffen, und so haben wir uns in Dolo verabredet. Ich sagte, ich hätte geschäftlich auf dem Festland zu tun, und wir könnten uns auf dieser Nebenstraße in Dolo treffen. Ich war sehr zeitig da, und als er kam, bin ich in seinen Wagen umgestiegen. Er lebte in tausend Ängsten, dachte, seine Schwester hätte Trevisan und Favero umgebracht, und wollte wissen, ob ich das auch glaubte. Er fürchtete, sie würde auch ihn umbringen. Damit das ganze Geschäft ihr gehörte. Und ihrem Liebhaber.«
    Sie lenkte an den Straßenrand und ließ einen nachfolgenden Wagen vorbeifahren, dann wendete sie und fuhr den Weg zurück, den sie gekommen waren.
    »Ich habe ihm gesagt, daß er von seiner Schwester nichts zu fürchten habe. Er schien deswegen sehr erleichtert. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich auf ihn geschossen habe. Dann bin ich wieder in mein eigenes Auto gestiegen und zum Piazzale Roma zurückgefahren.«
    »Und die Pistole?« fragte er.
    »Die ist noch in meiner Wohnung. Ich wollte sie nicht wegwerfen, bevor ich fertig war.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Sie sah ihn von der Seite an. »Die anderen.«
    »Welche anderen?«
    Sie antwortete nicht und schüttelte so entschieden den Kopf, daß er es als ein endgültiges Nein verstand.
    »Haben Sie nie daran gedacht, daß man Ihnen früher oder später auf die Spur kommen würde?«
    »Ich weiß es nicht. Darüber habe ich nicht nachgedacht. Aber dann kamen Sie ins Reisebüro, und ich habe Ihnen erzählt, ich führe nicht Auto, und da ist mir so nach und nach noch alles mögliche eingefallen, abgesehen von der Brille, was ich falsch gemacht hatte. Ich nehme an, daß Leute mich im Zug gesehen haben, und der Mann im Parkhaus wußte, daß ich in der Nacht, in der Lotto starb, mit dem Wagen unterwegs war. Und heute abend
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