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Brüder Des Zorns

Brüder Des Zorns

Titel: Brüder Des Zorns
Autoren: John Maddox Roberts
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»Wie konnte aus einem schwachen Knaben ein König werden? Auch wenn er nur König dieser elenden Steppenbastarde ist!«
    »Du hast bis jetzt keine Lust gehabt, gegen uns zu kämpfen«, forderte Ansa ihn heraus. »Du wagtest nicht, dich einem offenen Kampf zu stellen, als mein Vater mit seinem Heer nach Neva zog, um dich zu vertreiben. Er begab sich ganz allein in die Stadt und besiegte dich im Zweikampf, ehe du mit einem Sprung ins Meer die Flucht ergriffst!« Ansa hatte die Geschichte so oft gehört, dass sie ihm zu den Ohren herauskam, aber es machte ihm Spaß, sie Gasam ins Gesicht zu schleudern. Er hatte sich nie sehr gut mit seinem Vater verstanden, jetzt aber war er sehr stolz auf ihn. Er wünschte, er hätte die Möglichkeit, es ihm zu sagen.
    »Lass mich ihn schneiden, mein König!« zischte Bluttrinkerin. »Ich verspeise seinen …« Sanft setzte ihr Gasam den Fuß in den Nacken und drückte ihr Gesicht gegen den Teppich.
    »Still, kleiner Langhals. Das entscheide ich ganz allein.« Er trat vor Ansa hin und ging in die Hocke, bis sie sich auf Augenhöhe befanden. Ansa war froh, das Knacken in den Gelenken des Königs zu hören. Er alterte also auch. In das bronzeschimmernde Haar mischten sich silbrige Strähnen.
    »Du verstehst gar nichts, nicht wahr? Du weißt nicht, was richtiger Hass ist, mein Junge. Du hast auch nie gelernt, wahre Furcht zu empfinden. Ich werde es dich lehren. Du lebtest bis jetzt das schöne Leben eines verhätschelten Prinzen. Was zwischen Hael und mir besteht, liegt außerhalb deines Begriffsvermögens, also sprich nicht davon. Ich habe entschieden, wann und wie er sterben wird. Ich werde die Welt erobern, und keine seiner Taten wird daran etwas ändern. Er wird mich nicht dazu bringen, voreilig zuzuschlagen.«
    Fast zärtlich strich er mit dem Handrücken über Ansas Wange, als berühre er ein wertvolles, aber nervöses Cabo.
    »Sieh mal«, fuhr er fort, »zwischen mir und deinem Vater hat sich so viel Hass angestaut, dass der Lauf der Zeit ihm nichts anhaben kann. Auch in vielen Jahren werde ich ihn mit so viel Freude töten, wie ich es getan hätte, als er erst sieben Jahre alt war. Solchen Hass können gewöhnliche Männer nicht verstehen, und du bist ganz gewöhnlich, wenngleich noch kein Mann.« Er fuhr fort, Ansa zu streicheln. »Aber du bist Haels Sohn, und du kannst dir gar nicht vorstellen, welche Freude es mir bereitet, dich in der Hand zu haben.« Mit diesen Worten erhob er sich und verließ das Zelt.
    Bluttrinkerin kroch zurück auf ihren Platz, und Ansa rollte sich voller Verzweiflung zusammen und versuchte zu schlafen. Er wusste, dass ihm Entsetzliches bevorstand. Kurz darauf kehrte Pirscherin zurück. Sie war schweißbedeckt und roch durchdringend nach den hinter ihr liegenden Aktivitäten. Trotz seiner Angst stieg Erregung in Ansa auf, und er dachte an Fyana. Während sich die beiden Frauen leise unterhielten, gab er vor zu schlafen. Irgendwann schlief er tatsächlich ein.
    Stimmen weckten ihn. Gasam und Larissa unterhielten sich. Sie plauderten angeregt, als sei ihnen egal, wer sie hörte. Durch zusammengepresste Lider sah Ansa zu seinen Wächterinnen hinüber. Sie saßen noch immer auf ihren Plätzen, aber die Köpfe waren nach vorne gesunken, und sie atmeten tief und gleichmäßig. Zweifellos würden sie sofort erwachen, wenn er sich bewegte. Er strengte sich an, um das Gespräch im Nebenzimmer zu belauschen.
    »Das ist ein Hirngespinst, Liebste«, sagte Gasam. »Ich habe dir schon oft gesagt, dass du zuviel darüber nachdenkst.«
    »Es ist wirklich kein Hirngespinst!« beharrte sie. »Diese Schluchtler besitzen das Geheimnis, und ich werde es ihnen entreißen!«
    »Ist Schönheit denn so wichtig?« fragte der König. »Ist Macht nicht viel besser?«
    »Macht steht über allem anderen, Geliebter. Das hast du mich gelehrt. Aber der Verlust von Schönheit ist das äußere Anzeichen für das Nachlassen innerer Kraft, für die allmähliche Vernichtung unseres Willens, zu dem auch das Machtstreben gehört. Antworte mir wahrheitsgemäß: Kannst du den Speer noch immer so weit werfen wie vor zwanzig Jahren? Kannst du immer noch den ganzen Tag über laufen, ohne zu ermüden?«
    »Fast«, antwortete er unbehaglich.
    »Mit jedem Jahr wirfst du weniger weit. Wenn du läufst, wirst du Seitenstechen bekommen. Schon bald musst du aufpassen, dass du beim Gehen nicht außer Atem gerätst. Werden dich deine Krieger auch dann noch respektieren, wenn der gottgleiche König nichts
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