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Bruderschatten

Bruderschatten

Titel: Bruderschatten
Autoren: Mika Bechtheim
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wussten, dass es Hinner war. Wir wussten, Koslowski war es nicht. Wir konnten es nur nicht beweisen, und so flog ich damals dann wieder nach Hause.«
    »Woher wusstest du es?«, fragte ich. »Wieso wart ihr euch so sicher?«
    »Weil an dem Tag, als Eddie Charles erschoss, noch jemand dabei war.«
    »Claudia?«, fragte ich, und er nickte.
    »Sie war durch die Gärten zurückgekommen. Ich hatte ihr gesagt, sie sollte verschwinden, Charles und ich müssten etwas erledigen, und es könnte gefährlich werden. Sie stand hinten im Hof am Garagenfenster und hat uns belauscht. Du weißt ja, dass es den ganzen Sommer aufstand, weil Adams Auto leckte und Benzin verlor und Eddie den Gestank nicht ertrug.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Wir waren alle furchtbar durcheinander. Deshalb bekam keiner von uns mit, dass Claudia reinkam. Sie hatte gehört, dass Lauren schwanger von mir war und dass ich zu Paul gesagt hatte, ich wollte Lauren heiraten. Claudia schrie, das wäre das Allerletzte und sie würde es Hinner erzählen. Der würde ausrasten, wenn er hörte, dass Lauren kaum die Schule fertig hatte und schon schwanger war. Er würde sich schon darum kümmern, dass sie mich nie wiedersieht.«
    »Ihr hättet sie aufhalten müssen«, sagte ich.
    Leo nickte. »Das stimmt, aber wir hatten ein ganz anderes Problem. Eddie war inzwischen völlig durchgedreht. Sie schlug mit dem Wagenheber auf Charles’ Gesicht ein. Sie wollte es unkenntlich machen und die Leiche im Wald ablegen.«
    »Nein«, sagte ich, und ein Zementbrocken saß da, wo mein Magen war. Cornelius griff über den Tisch nach meiner Hand. Ich ließ es zu, und er drückte sie, während mir zum Weinen war und ich dagegen anschluckte.
    »Paul rief dann Kortner an. Kortner hat zuerst mit Paul im Haus unter vier Augen geredet. Paul kam nicht zurück in die Garage, und wir dachten alle nicht mehr an das Band. Charles lag tot am Boden, meine Mutter hatte ihn erschossen, und ich hatte genug damit zu tun, dass sie wieder halbwegs zur Besinnung kam. Kortner sprach dann auch mit uns. Er bot uns einen Deal an. Er würde Eddie gehen lassen. Paul wollte es so. Doch er brauchte einen Täter. Der war ich. Ich sollte verschwinden. Für immer. Er konnte nicht für meine und nicht für Eddies Sicherheit garantieren, wenn wir uns nicht darauf einließen.«
    »Und du bist gegangen, obwohl du Lauren geliebt hast?«
    Was musste Lauren gelitten haben, dachte ich. Endlich hatte sie jemanden getroffen, der sie liebte und sie aus dieser Hölle befreien wollte. Dann verschwand er von einem Tag auf den anderen, und sie war schwanger und durfte nicht einmal seine Kinder behalten.
    »Wusste Kortner nicht, worum es ging?«
    Leo zuckte mit den Achseln. »Doch, er wusste, dass Hinner Lauren missbraucht und vergewaltigt hatte. Aber Paul sagte, das sei eine Familienangelegenheit und er würde sich darum kümmern.«
    »Und Claudia lief eifersüchtig zu Hinner und erzählte ihm die ganze Geschichte, und er brachte sie um.«
    »Ja«, sagte Leo.
    »Woher wusste Hinner, wie Koslowski seine Opfer zugerichtet hatte?«
    »Das«, sagte Cornelius, »wollen sie gerade herausbekommen.«
    Ich sah auf die Uhr. Es war vier Uhr morgens. Ich war todmüde. Aber ich wollte auf meinen Vater warten.

55
    Ich hatte Hunger. Trotz allem. Cornelius lachte, als ich mir ein Honigbrot schmierte.
    »Wo warst du?«, fragte ich Leo. »Was hast du die ganzen Jahre gemacht?«
    »Mal dies, mal das«, sagte er und zögerte. »Die ersten drei Jahre war ich in Hamburg.«
    »Was?«
    »Du warst in Leipzig«, sagte er. »Weiter weg konnte ich nicht sein.«
    »Wie hast du es geschafft?«
    »Paul Heinecken hat mich mit seinem Auto über die Grenze nach Ungarn gebracht. Natürlich haben sie ihn nicht kontrolliert. Ich bin dann in die deutsche Botschaft in Budapest und habe gesagt, ich hätte keinen Ausweis, den hätte ich verloren. Die hatten da schon wieder Hunderte Leute und wollten nur das Chaos beenden. Ich nannte einen Namen und bekam einen provisorischen Pass, schnell und unbürokratisch. Das war’s. Ich fuhr ins Auffanglager nach Gießen und war eine Woche später ein freier Mann.«
    »Der Mann ohne Vergangenheit.«
    »Ich bin dann einfach in eine Redaktion spaziert, habe gesagt, ich sei Journalist aus dem Osten und über die Botschaft von dort geflohen. Sie haben gelacht und gesagt, wir könnten doch nicht schreiben. Also fing ich wieder am Kopierer an und arbeitete mich zum Lokalredakteur rauf.«
    »Du bist Journalist?«
    »Ja«, sagte er. »Aber
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