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Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot

Titel: Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
Autoren: Diana L. Paxson
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Stimmen.
    Bruchstücke alter Märchen verdichteten sich zu jäher Gewissheit. Langsam setzte Gwendivar sich auf und versuchte, nicht zu blinzeln, damit die Vision nicht zerstob.
    »Jetzt weiß ich, wer ihr seid«, sprach sie leise. »Ihr seid Elfen. Seid ihr erst heute in diese Wälder gezogen?«
    Eine Weile schienen selbst die Lichtpünktchen reglos zu verharren. Dann erfüllte Elfengelächter die Luft.
    »Sie sieht uns! Sie kann uns sehen!« Gleich einem leuchtenden Wirbel scharten die Elfen sich um sie. Eine der Gestalten trieb empor, um ihr ins Antlitz zu blicken und streckte sich, bis sie die Größe eines drei Jahre alten Kindes aufwies.
    »Selbstverständlich kann ich euch sehen«, antwortete Gwendivar. »Ich glaube, ich habe schon früher Elfen gesehen«, fügte sie hinzu, sich mehr und mehr erinnernd. »Aber sie haben nie mit mir geredet.«
    »Es ist der Augenblick zwischen Tag und Finsternis, und in den Adern dieses Kindes fließt unverfälscht das alte Blut«, meinte eines der anderen Wesen. »Aber sie wird die Gabe zu sehen verlieren, wenn sie erwachsen ist.«
    Gwendivars Miene verfinsterte sich, aber ihr lag bereits eine neue Frage auf der Zunge. »Zeigt ihr mir euer Land?«
    »Dies ist unser Land – es ist überall um dich, man muss nur die Augen haben, es zu sehen« , lautete die Antwort. Und tatsächlich, als Gwendivar aufschaute, erschienen ihr die vertrauten Formen der Bäume und Felsen wie Türen in ungeahnte Dimensionen. Doch sie wagte nicht, allzu lange hinzusehen, weil sie fürchtete, ihre neuen Freunde könnten davonhuschen.
    »Erfüllt ihr mir einen Wunsch?«, fragte sie.
    » Unsere Gaben können gefährlich sein…«, erwiderte das Elfenwesen.
    Gwendivar aber lachte nur. »Schwebe ich hier etwa in Gefahr? Mein Wunsch lautet, dass mein Herz immer so bleibt, wie es jetzt ist, und dass ich immer in der Lage sein werde, Elfen zu sehen.«
    »Bist du sicher? Für Menschen mit einer solchen Sicht könnte es sich als schwierig erweisen, in der Welt der Sterblichen zu leben.«
    Gwendivar zuckte die Schultern. »Ich finde sie jetzt bereits langweilig. Für mich spielt das keine Rolle.«
    »Doch, das wird es…«, entgegnete das Elfenwesen mit einem Anflug von Traurigkeit. Doch dann lachte es ebenfalls. »Trotzdem können wir dir an diesem Tag keine Bitte abschlagen.«
    Gwendivar klatschte in die Hände; wie auf ein Stichwort glitt die Sonne hinter die Hügel, und das Licht verschwand. Auch ihre neuen Freunde waren verschwunden. Kurz hätte sie am liebsten geweint, aber es wurde allmählich kalt, zudem war sie hungrig. Sie hielt Ausschau nach dem Tunnel durch das Haselgestrüpp und stellte fest, dass die Welt ringsum sich ihrer veränderten Sicht nach wie vor von innen leuchtend darbot.
    Das Elfenwesen hatte sie nicht belogen. Wieder lachend, rannte Gwendivar zurück in die Welt der Menschen.

II
    Ein Schatten auf dem Mond
    A.D. 489
     
    Bei Sonnenuntergang an einem Abend, an dem die erste schmale Sichel des ersten Sommerneumonds über der Kuppe des Hügels hing, traf Merlin am See ein. Wie immer tauchte er allein und unangekündigt gleich einem Geist am Waldrand auf. Igraine, die sich gerade auf dem Weg zu dem Felsen am höchsten Punkt der Insel befand, um ihre abendliche Andacht abzuhalten, spürte seine Anwesenheit wie einen Dufthauch, der zunächst ein Kribbeln, dann eine Flut von Erinnerungen auslöste. Jäh hielt sie auf dem Pfad inne, sodass Morut um ein Haar mit ihr zusammengeprallt wäre.
    »Geh zum Landesteg hinunter und schick ein Boot ans Ufer. Wir haben Besuch.«
    Moruts Augen weiteten sich, aber sie stellte Igraines Wissen nicht infrage. Lächelnd beobachtete Igraine, wie sie loslief.
    Als sie damals, nachdem Artor zum König erkoren worden war, zum See zurückkehrte, um Anspruch auf ihre Rolle als dessen Herrin zu erheben, hatte Igraine sich beinahe wie eine Betrügerin gefühlt. Die von einer Zauberkundigen erwarteten Fähigkeiten bedurften eines geschärften Verstandes, ständiger Anwendung, fortwährender Verfeinerung. Sie war wie ein Krieger, der ein Schwert von der Wand nimmt, dem er gestattet hat, Rost anzusetzen. Und dennoch erinnerten sich ihre zwar steifen und ungelenken geistigen Muskeln immer noch der frühen Schulung, und im Lauf der Zeit stellte sie fest, dass die verstrichenen Jahre ihrem Verständnis eine Tiefe hinzugefügt hatten, die in ihren Mädchentagen nicht da gewesen war. Es mochte andere auf der Insel geben, denen diese Fähigkeiten müheloser zuflogen, aber
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