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Bring mir den Kopf vom Nikolaus - Ein Weihnachtsmaerchen

Bring mir den Kopf vom Nikolaus - Ein Weihnachtsmaerchen

Titel: Bring mir den Kopf vom Nikolaus - Ein Weihnachtsmaerchen
Autoren: Simon Borowiak
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will mal sehen, wie du das anstellst!«
    Die Fee begann freudig erregt, einen Wunschzettel auszufüllen. Das dauerte etwas länger, denn die Fee war nicht mehr das, was man als sattelfest bezeichnet. »Der Vollständigkeit halber musst du den Wunsch aussprechen. Sonst gildet das nicht«, forderte sie Bernadette auf.
    »Na gut, dann wünsche ich mir zwei Flaschen Rotwein«, kicherte diese.
    »Na, sagen wir mal lieber: Drei«, verbesserte sie die Fee.
    »Dann wünsche ich mir eben drei Flaschen. Und nun?«
    Die Fee füllte den Rest des Coupons aus und sagte ihren Zaubersatz: »Herr Rudi, hätten Sie die Güte?«
    Herr Rudi ließ von dem letzten intakten Zweiglein meines Bäumchens ab und sah verstockt in Richtung Fee. Diese wiederholte ihren Spruch: »Wenn Sie so gut wären!« Dies nun aber in einem Ton, der nicht die geringste Ähnlichkeit mit einer Bitte hatte. Herr Rudi stolzte sehr langsam auf die Fee zu und las mit der gewohnten Akribie den Wunschzettel durch. Dann schnaubte er, und dieses Schnauben klang ausgesprochen feindselig.
    Die Fee versuchte es mit Schmeichelei: Schließlich handle es sich um Spesen für ein Arbeitsgespräch! Und sie müsse doch auf dem Laufenden sein, was die Erdenbürger sich so vorstellten und wie ihr Leben verliefe und überhaupt!
    Herr Rudi schnaubte erneut feindselig. Nun zog die Fee andere Saiten auf: Ob Herr Rudi vielleicht scharf darauf sei, dass die Vorgesetzten erführen, wie er sich den Weihnachtsabend am Tannenbaum eines Klienten um die Ohre n – beziehungsweise um die Schaufeln schlug?

    Herr Rudi schien zusammenzuzucken, dann trat er zögerlich an das von der Fee wieder bereitgestellte Stempelkissen. Ein weiteres Zögern, ein Überlegen, dann trat er mit seinem Stempelhuf aufs Kissen und dann wieder akrobatisch-vorsichtig auf das Stempelfeld im Formular.
    »Na also! Es geht doch!«, polterte die Fee.
    »Und jetzt?«, fragte Bernadette, die diesen gesamten Vorgang mit ihren großen, ja, noch größer als groß werdenden Augen beobachtet hatte.
    Himmel, war diese Frau schön!
    »Und jetzt wirst du gleich sehen, dass ich keine Spinnerin bin, sondern eine richtige, echte gute Fee!«
    Herr Rudi stieß einen Laut aus, der wie ein Schluchzen klang. Dann trat er wieder ans Fenster und schaute in die beleuchteten Wohnstuben gegenüber, in denen man von der Bescherung zum Essen übergegangen war.
    »Aber wenn du tatsächlich recht haben solltest und eine richtig echte gute Fee bist: Warum hast du dann so einen miesen Job? Einen Job, von dem du behauptest, dass er dich umbringt? Kannst du dir dann nicht was Besseres wünschen?«, fragte meine Bernadette in ihrer wissenschaftlichen Art.
    Das war genau wieder eine falsche Frage, denn sofort begann die Fee erneut mit ihrem Gegreine: Sie dürfe sich nicht für sich selbs t … und an allem sei insgesamt und ohnehin der Nikolaus schul d …
    Allmählich verhärteten sich meine Nerven. Waren wir an diesem Abend zusammengekommen, um uns das Gewürge einer frustrierten Fee anzuhören? Wann kam es endlich zur Versöhnung zwischen mir und Bernadette? Bis jetzt hatten die beiden nur auf dem Sofa die Minderwertigkeit der Männer bekakelt. Klang das nach glücklichem Ende? Und: Wie zum Teufel sollte ich mich da wieder ins Spiel bringen? Indem ich ausrief: »Ich bin aber ganz anders!« Oder: »Die Männer sind alle Verbreche r – außer mir!«
    Ich hätte vor Wut in die Tischkante beißen können. Was stellte die Fee da an? Wollte sie eine feministische Ortsgruppe gründen? Mit meiner Bernadette als erster Vorsitzender? Langsam wurde es Zeit für die von mir gewünschte und von Herrn Rudi abgesegnete Wiedervereinigung!
    Es klingelte.
    Ich erhob mich aus den Untiefen meiner Unordnung, ging mit sehr beherrschtem Blick am Sofa samt Damen vorbei, schaute durch den Spion und sa h – den mir bereits vertrauten Pizzaboten. Ich öffnete, und der Typ begrüßte mich wie einen alten Bekannten. Dann zählte er auf, was er diesmal ablieferte: »Drei Rote.« Und dass die Rechnung bereits beglichen sei etc. pp. Und er wünsche auch weiterhin noch ein Frohes Fest.
    Bernadette war platt. Sie betrachtete die drei Flaschen, die die Fee vor sich aufgebaut hatte und nun begann, mit dem Korkenzieher zu bearbeiten. Was ihr dank ihrer stark verlangsamten, benebelten Motorik nicht ganz leicht fiel.
    »Atmen!«, lallte sie.
    Bernadette fragte irritiert: »Atmen? Das tun wir doch alle. Aber wie hast du das mit den Flaschen gemacht? Was ist der Trick dabei?«
    Die Fee
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