Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bring mir den Kopf vom Nikolaus - Ein Weihnachtsmaerchen

Bring mir den Kopf vom Nikolaus - Ein Weihnachtsmaerchen

Titel: Bring mir den Kopf vom Nikolaus - Ein Weihnachtsmaerchen
Autoren: Simon Borowiak
Vom Netzwerk:
besiegel t – worüber machte ich mir also Sorgen? Ich nahm allen Mumm zusammen und sagte: »Komm doch ins Wohnzimmer. Ich muss deinen Pass irgendwo im Schreibtisch haben.«
    Mir schossen diverse Möglichkeiten durch den Kopf, um Bernadette meine »Gäste« zu erklären:
    1. »Das ist meine Schwester auf der Durchreise. Der Elch da hinten ist ihr bei einem Kernkraftwerksunfall mutierter Freund!«
    2. »Ich hatte plötzlich so viel Mitleid mit Obdachlosen, da habe ich die beiden zu einer warmen Mahlzeit eingeladen!«
    3. Kurzfristig kam ich sogar auf die Idee, die Fee als meine neue Freundin auszugeben, um Bernadette eifersüchtig zu machen. Aber ein Blick auf die angetrunkene Fee reichte, um zu wissen, dass man mit ihr NIEMANDEN eifersüchtig machen könnte.
    Ich machte mir schon wieder zu viele Sorgen; die Versöhnung hatte ihren Anfang genommen, der Rest würde sich ergeben, verdammt noch mal!
    Also führte ich Bernadette todesmutig ins Wohnzimmer.
    Herr Rudi stand reglos neben dem unangezündeten Bäumchen und wirkte wie ausgestopft. Oder wie ein riesiges Plüschtier. Daher schien Bernadette ihn erst auch gar nicht wahrzunehmen. Beziehungsweise tat sie ihn wohl ab, als eine Schrulle von mir. Dagegen die Fe e – die bewegte sich und sah ziemlich lebendig aus. Sie goss sich gerade einen weiteren Barolo ein, sah hoch und musterte Bernadette ausgiebig. Dann streckte sie ihr die Hand hin und sagte: »Hi, ich bin die Linda.« In diesem Moment bewegte sich Herr Rudi und machte sich an den vierten Zweig meines Bäumchens, das bereits sehr gefleddert aussah.

    Bernadette zuckte zusammen. Sie sah von Linda zu Herrn Rudi, von Herrn Rudi zu Linda und dann zu mir.
    Ich versuchte, mich in sie hineinzuversetzen:
    Mein Ex-Freund hat etwas, das ich unbedingt zurückhaben muss.
    Soweit okay.
    Dann: Ich werde es mir zurückholen, aber das könnte ein fürchterlicher Akt werden. Denn er ist wahrscheinlich immer noch verletzt durch die Trennung und die Tatsache, dass ich bereits mit einem anderen zusammen bin. Wie wird er also reagieren, wenn ich überfallartig bei ihm auftauche? Wird er wieder heulen wie bei unserem finalen Trennungsgespräch? Oder wird er aggressiv? Und wenn etwas noch unangenehmer als weinende Männer ist, dann sind das aggressive Männe r …
    Was in aller Welt könnte Bernadette noch denken? Garantiert war sie erstaunt, überrascht und überfordert, diesen Kerl, den sie in einem heulenden oder zumindest derangierten Zustand erwartet hatte, mit einer Neuen anzutreffen. Aber nicht nur das: Als Tüpfelchen auf dem I musste sie damit klar kommen, dass da auch noch ein Viech mit Schaufeln auf dem Kopf in seinem Wohnzimmer stand. Und seinen kalten Tannenbaum anfraß.
    Kurz: Wäre ich Bernadette, ich würde vermuten, ich hätte was am Kopf.
    Um die Verwirrung komplett zu machen, sagte die Fee: »Wir haben dich schon erwartet.«
    Bernadette stand da, fassungslos, un d – was ich bei ihr selten erlebt hatt e – auch sprachlos. In ihrem wunderbaren Kopf musste es drunter und drüber gehen wie bei einer Massenbescherung. Nach einigen Momenten schien sie sich wieder zu fangen, denn sie drängte mich zurück in den Flur und dann in die Küche und fragte: »Hast du den Verstand verloren? Was ist das da in deinem Wohnzimmer?«
    Mein Hirn tobte auf der Suche nach der richtigen Antwort. Inzwischen betrachtete Bernadette das von mir für uns beide angerichtete Festtagsmahl. Sie betrachtete es genau so fassungslos, wie sie vorher Fee und Rentier angeschaut hatte.
    Vielleicht waren wir gerade in Phase III der Versöhnung eingetreten? Denn ich Kretin wisperte ihr zu: »Es ist nicht, was du denkst.«
    Sofort hätte ich mir eine scheuern können. Dieser Satz war ja noch abgeschmackter als »was treibt dich denn hierher?«. Sie sah mich an wie ein Stück Scheiße. Und ich dachte: »Alles oder Nichts! Jetzt sage ich ihr die Wahrheit!«
    Aber bevor ich damit herausrücken konnte, zeigte Bernadette auf das von mir so liebevoll drapierte Festmahl und fragte: »Und warum dieses Zeug hier? Und wieso hat diese Schlampe gesagt, ihr hättet mich erwartet? Du konntest doch unmöglich wissen, dass ich dich ausgerechnet heute Abend besuchen würde!«
    Oha.
    Jetzt musste es sein:
    »Doch. Ich wusste, dass du heute Abend kommst. Das hat mir eine Fee geflüstert.«
    »Du hast DOCH den Verstand verloren!«
    »Nein, das da im Wohnzimmer ist eine echte Fee! Glaub mir! Zwar keine von den großen Nummern, eher eine Underdog-Fee! Und Herr Rud i – also
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher