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Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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einen Mord.«
    Kadegs Stimme war dünn und ohne Intonation.
    »Was?«
    »In Pont Aven, Monsieur le Commissaire. Pierre-Louis Pennec, der Besitzer des Hotel Central , wurde vor wenigen Minuten tot in seinem Restaurant aufgefunden. Man hat die Wache in Pont Aven angerufen.«
    »Ist das ein Witz, Kadeg?«
    »Die beiden Kollegen aus Pont Aven müssten schon da sein.«
    »In Pont Aven? Pierre-Louis Pennec?«
    »Wie meinen Sie, Monsieur le Commissaire?«
    »Was wissen Sie noch?«
    »Nur das, was ich Ihnen gerade gesagt habe.«
    »Und es ist sicher ein Mord?«
    »Es sieht wohl so aus.«
    »Warum?«
    Dupin hatte sich über diese Frage fast schon geärgert, bevor sie ihm über die Lippen gekommen war.
    »Ich kann Ihnen nur sagen, was der Anrufer, der Koch des Hotels, dem diensthabenden Polizisten gesagt hat, und der wiederum …«
    »Ist schon gut. Aber was haben wir mit der Sache zu tun? Pont Aven fällt in den Zuständigkeitsbereich Quimperlés – das ist Dercaps Angelegenheit.«
    »Kommissar Dercap ist seit Montag im Urlaub. Bei ernsteren Vorkommnissen sind wir zuständig. Deswegen hat die Wache in Pont Aven …«
    »Ja, ja … Ich mache mich auf. Sie auch. Und rufen Sie Riwal an, ich will, dass er umgehend kommt.«
    »Riwal ist schon unterwegs.«
    »Gut. – Das darf nicht wahr sein. So ein Scheiß.«
    »Monsieur le Commissaire?«
    Dupin legte auf.
    »Ich muss los«, rief er in Girards Richtung, der neugierig guckte. Dupin legte ein paar Münzen auf den Tresen und verließ das Amiral . Sein Wagen stand auf dem großen Parkplatz am Quai, nur ein paar Schritte entfernt.
    »Absurd«, dachte Dupin, als er im Wagen saß, »das ist vollkommen absurd.« Ein Mord in Pont Aven. Im Hochsommer, kurz vor der Saison, die den Ort zu einem großen Freilichtmuseum werden ließ, wie man in Concarneau spottete. Pont Aven war die reine Idylle. Der letzte Mord in dem pittoresken – für Dupins Geschmack viel zu pittoresken – Dorf, das Ende des 19. Jahrhunderts durch seine Künstlerkolonie, vor allem natürlich durch Paul Gauguin, ihr prominentestes Mitglied, weltweit berühmt geworden war und sich nun in jedem Reiseführer Frankreichs und jeder Geschichte der modernen Kunst wiederfand, musste Ewigkeiten zurückliegen. Und dazu: der hochbetagte Pierre-Louis Pennec – ein legendärer Hotelier, eine Institution – ganz so wie es sein Vater und vor allem natürlich seine Großmutter gewesen waren, die berühmte Gründerin des Central , Marie-Jeanne Pennec.
    Dupin fingerte an den aberwitzig winzigen Tasten seines Autotelefons herum, er hasste das.
    »Wo sind Sie, Nolwenn?«
    »Auf dem Weg ins Kommissariat. Kadeg hat gerade angerufen. Ich bin im Bilde. Sie wollen sicher Docteur Lafond.«
    »So schnell es geht.«
    Seit einem Jahr gab es einen zweiten Gerichtsmediziner in Quimper, den Dupin nicht ertragen konnte, Ewen Savoir, ein linkischer junger Schnösel. Mit beeindruckender technischer und technologischer Ausrüstung, aber dumm. Und furchtbar umständlich. Zwar konnte Dupin nicht gerade behaupten, dass er den alten brummigen Docteur Lafond mochte; auch er und Lafond gerieten sich zuweilen in die Haare, wenn es Dupin nicht schnell genug ging, und dann schimpfte Lafond wie ein Rohrspatz, doch er leistete einfach großartige Arbeit.
    »Savoir macht mich vollkommen wahnsinnig.«
    »Ich kümmere mich um alles.«
    Dupin liebte diesen Satz aus Nolwenns Mund. Sie war schon die Sekretärin seines Vorgängers und Vorvorgängers gewesen. Sie war großartig. Patent. Unendlich patent.
    »Gut. Ich bin am letzten Kreisel von Concarneau. In zehn Minuten bin ich da.«
    »Monsieur le Commissaire, das klingt nach einer schlimmen Sache. Unfassbar. Ich kannte den alten Pennec. Mein Mann hat einmal ein paar Dinge für ihn gemacht. Vor vielen Jahren.«
    Dupin lag es kurz auf der Zunge, zu fragen, was für »ein paar Dinge« dies gewesen waren, aber er ließ es. Es gab Wichtigeres. Er hatte bis heute nicht genau verstanden, was der Beruf von Nolwenns Mann war. Er schien unbestimmt universell zu sein. Für alle möglichen Leute machte er immer wieder »ein paar Dinge«.
    »Ja. Das wird einen riesigen Rummel geben. Eine Ikone des Finistère. Der Bretagne. Frankreichs. Mon Dieu … Ich melde mich wieder.«
    »Tun Sie das. Ich stehe schon vor dem Kommissariat.«
    »Bis gleich.«
    Dupin fuhr schnell; viel zu schnell für die schmalen Straßen. Es war nicht zu fassen, zum ersten Mal seit zehn Jahren hatte der alte Dercap Ferien. Zehn Tage war er weg. Seine Tochter
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