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Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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großen Künstlerkoloniezeit Ende des 19. Jahrhunderts. Noch in den kleinsten Cafés und Geschäften des Ortes konnte man sie bewundern. Pont Aven schien damit tapeziert.
    Dupin ging ein paarmal sehr langsam durch den ganzen Raum, ohne etwas Bestimmtes zu suchen. Er fand auch nichts. Ein wenig ungelenk holte er sein kleines rotes Notizheft aus seiner Hosentasche und kritzelte, eher planlos, ein paar Dinge auf die Seiten.
    Jemand versuchte unsacht die Tür zu öffnen, die Dupin von innen verschlossen hatte, und klopfte dann lautstark. Dupin hatte Lust, es zu ignorieren, protestierte aber nicht, als Riwal ihn fragend ansah und dann Richtung Tür ging. Mit Lärm schlug die Tür auf. Reglas war mit einem Satz im Raum und Kadegs beflissene Stimme verkündete: »Docteur Lafond ist da. Und die Spurensicherung, René Reglas und seine Leute.«
    Dupin seufzte tief. Immer vergaß er Reglas. Die »Tatortarbeit«. René Reglas, der größte Forensiker der Welt. Er war mit drei Leuten angerückt, sie schlichen schweigend neben ihm her. Docteur Lafond trat als Letzter ein und steuerte geradewegs auf die Leiche zu. Kaum vernehmlich brummte er ein »Bonjour M’sieur« in Richtung Dupin. Es klang nicht unfreundlich.
    Reglas wandte sich forsch an Kadeg und Riwal.
    »Meine Herren, ich darf Sie bitten, den Raum zu verlassen, bis unsere Arbeit hier getan ist. Lediglich der Commissaire, Docteur Lafond, ich und mein Team haben solange Zutritt zum Restaurant. Wenn Sie das sicherstellen würden? Bonjour Monsieur le Commissaire, Bonjour Monsieur le Docteur.«
    Dupin hatte große Schwierigkeiten, seinen Affekt in den Griff zu bekommen. Er sagte kein Wort. Die beiden Männer hatten immer schon wenig Sympathie füreinander empfunden.
    »Docteur Lafond, wenn auch Sie bitte äußerst umsichtig sein würden und keine neuen Spuren setzen. Danke.«
    Reglas hatte seine dicke Kamera gezückt.
    »Meine Kollegen beginnen sofort mit den daktyloskopischen Arbeiten. Lagrange – hier, ich will zunächst mögliche Fingerabdrücke von der Bar, dem Glas, der Flasche, von allem nahe der Leiche. Systematisch.«
    Lafond stellte in aller Seelenruhe seine Tasche auf einem der Tische nahe der Bar ab, ihm war nicht anzumerken, ob er Reglas’ Sätze überhaupt gehört hatte.
    Dupin ging zur Tür. Er musste hier raus. Er verließ den Raum ohne ein Wort zu sagen.
    Mittlerweile ging es etwas lauter zu im Eingangsbereich des Hotels, wo sich auch die kleine Rezeption befand. Ohne Zweifel hatte sich die Nachricht herumzusprechen begonnen, im Hotel, im ganzen Dorf. An der Rezeption standen einige Gäste, und es wurde heftig durcheinander geredet, hinter dem gedrängten Tresen stand eine kurzhaarige, etwas hagere kleine Frau mit einer verhältnismäßig großen, scharfkantigen Nase, die mit fester Stimme sprach. Sie war sehr bemüht, Ruhe zu demonstrieren.
    »Nein, nein. Machen Sie sich keine Sorgen. Wir werden das alles regeln.«
    Ein Mord in dem Hotel, in dem man die schönsten Wochen des Jahres verbringen wollte; Dupin verstand die Unruhe der Gäste, aber die Frau tat ihm auch leid. Sie befanden sich kurz vor der Hochsaison, das Hotel war zur Hälfte ausgebucht, hatte Riwal gesagt. Sechsundzwanzig Gäste waren schon da, vier davon Kinder, die meisten Ausländer; zu dieser Zeit reisten noch wenige Franzosen. Erst in einer Woche würde der Rummel richtig losgehen. Dennoch, auch wenn das Hotel nicht ganz belegt war – die Gäste, die da waren, gingen ein und aus, auch abends und nachts. Wer unter diesen Umständen einen Mord beging, musste damit rechnen, dass jemand etwas mitbekommen würde – dass er gesehen würde, wenn er zum Beispiel durch den Vorraum das Hotel verließ. Oder dass jemand etwas von dem Gerangel hören würde, einen Hilferuf, den Schrei des um sein Leben ringenden Pennec. Auch hatte sich in der Nacht bestimmt noch Personal im Hotel aufgehalten. Hier einen Mord zu begehen war riskant.
    Riwal kam die Treppe herunter. Er sah den Kommissar fragend an.
    »So ist es, Riwal. Jetzt gehört der Tatort den Profis.«
    Riwal setzte an, etwas zu sagen, ließ es aber. Dupin hatte ihm das Fragen nach seinem Vorgehen und seinen Plänen abgewöhnt. Das war das Einzige, das ihn gestört hatte an Riwal, und manchmal kam es noch durch. Riwal wollte immer Dupins Methode verstehen.
    »Wo sind die Polizisten von hier? Die Rezeption muss verlegt werden. Ich will den Raum leer haben.«
    »Kadeg hat sie mit hochgenommen. Er wollte die Befragung der Gäste zur letzten Nacht
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