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Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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immer trug – und auch diese Irritation machte sich Dupin gerne zunutze.
    Monsieur Galvani stammelte etwas, das aber nicht mehr zu verstehen war, und suchte Schutz bei seiner Frau, die bestimmt einen Kopf größer war als er. Dupin drehte sich zur Seite und sah, wie die Hotelangestellte ihn verstohlen anlächelte. Er lächelte zurück. Dann wandte er sich wieder Riwal zu, der etwas verlegen dreinblickte.
    »Rekonstruieren Sie mit Kadeg vor allem den gestrigen Tag und Abend so genau wie möglich. Was hat Pennec gemacht? Wo war er wann? Wer hat ihn zuletzt gesehen?«
    »Wir sind dabei. Der Koch hat ihn wohl zuletzt gesehen.«
    »Gut. Welche Angestellten sind heute Morgen im Hotel?«
    Riwal zog ein sehr kleines, schwarzes Notizbüchlein hervor. »Mademoiselle Kann und Mademoiselle Denoelalig, beide sehr jung, Zimmermädchen, und Madame Mendu, die, wenn ich es richtig verstehe, eine Art Nachfolgerin von Madame Lajoux werden soll. Sie ist auch für das Frühstück zuständig. Madame Mendu steht hier vorne.«
    Riwal deutete mit seinem Kopf dezent Richtung Rezeption.
    »Dann Madame Lajoux und der Koch, Edouard Glavinec. Und ein Gehilfe von ihm.«
    Dupin notierte sich alles.
    »Der Koch? Um diese Uhrzeit der Koch?«
    »Sie holen jeden Morgen sehr früh die Sachen vom Großmarkt in Quimper.«
    »Wie heißt der Küchenjunge?«
    Riwal blätterte in seinem Büchlein.
    »Ronan Breton.«
    »Breton? Er heißt Breton?«
    »Breton.«
    Dupin wollte etwas dazu sagen, ließ es aber.
    »Und der Koch hat Pennec als Letzter lebend gesehen?«
    »Bisher scheint es so.«
    »Ich will ihn sprechen, sobald ich mit Madame Lajoux fertig bin. Kurz.« Dupin wandte sich ab und stieg die Treppen hoch. Ohne sich umzudrehen rief er: »Wo im ersten Stock?«
    »Direkt rechts, die erste Tür.«
    Dupin klopfte sachte an die Tür des Frühstücksraums und trat ein. Francine Lajoux war älter als Dupin sie sich vorgestellt hatte, über siebzig sicher, die Haare ganz grau, ein spitzes Gesicht mit tiefen Falten. Sie saß in der äußersten Ecke des Raums, neben ihr ein rothaariges, üppiges Zimmermädchen, klein, mit einem etwas feisten, aber hübschen Gesicht – Mademoiselle Kann, die dem Kommissar sehr freundlich und erleichtert zulächelte. Madame Lajoux schien das Eintreten des Kommissars zunächst gar nicht zu bemerken, sie starrte bewegungslos auf den Boden.
    Dupin räusperte sich.
    »Bonjour Madame, mein Name ist Dupin, ich bin der zuständige Kommissar. Man sagte mir, dass Sie es waren, die die Leiche von Pierre-Louis Pennec heute Morgen im Restaurant gefunden haben.«
    Madame Lajoux’ Augen waren verweint, die Wimperntusche verlaufen. Es dauerte einen Augenblick, dann schaute sie den Kommissar an.
    »Ein abscheulicher Mord, nicht wahr, Monsieur le Commissaire? Das ist ein abscheulicher Mord. Ein kaltblütiger Mord. Seit siebenunddreißig Jahren bin ich treu in Monsieur Pennecs Diensten. Nicht einen Tag war ich krank. Höchstens zwei Mal … Er sieht schlimm zugerichtet aus, nicht wahr? Der Mörder muss mit einem großen Messer zugestochen haben. Ich hoffe, Sie fassen ihn schnell.«
    Sie sprach nicht hastig, aber doch in eindrucksvollem Tempo, ohne Pausen, mit schnell wechselnden Intonationen.
    »Der arme Monsieur Pennec. So ein wunderbarer Mann. Wer kann so etwas Grausames getan haben? Alle haben ihn gemocht, Monsieur le Commissaire. Alle. Alle haben ihn geschätzt – geschätzt und bewundert. Und das – das in unserem schönen Pont Aven. Entsetzlich. Einem so friedlichen Ort. Die Blutlache war so groß. Ist das normal, Monsieur le Commissaire?«
    Dupin wusste nicht, was er antworten sollte. Und worauf er antworten sollte. Eher schwunglos holte er sein Heft hervor und schrieb etwas auf. Es entstand eine merkwürdige Pause. Mademoiselle Kann lugte verstohlen nach dem Heft.
    »Entschuldigen Sie, ich weiß, dass es schrecklich für Sie sein muss, sich das wieder in Erinnerung zu rufen, aber könnten Sie mir davon erzählen, wie Sie die Leiche gefunden haben? War die Tür offen? Waren Sie allein?«
    Ihm war klar, dass dies keine besonders mitfühlende Reaktion war.
    »Ich war ganz alleine. Ist das wichtig, ja? Die Tür war zu, aber nicht abgeschlossen. Und das ist sie sonst immer. Ja. Monsieur Pennec schließt sie ab, wenn er nachts geht. Da habe ich mir schon gedacht, dass etwas nicht stimmt. Ich glaube, es war Viertel nach sieben. Ungefähr. Wissen Sie, ich mache jeden Morgen das Frühstück. Seit siebenunddreißig Jahren bin ich jeden Morgen um
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