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Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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Ihnen etwas Besonderes aufgefallen gestern, heute, in den letzten Tagen? Es geht auch um Kleinigkeiten.«
    Das Zimmermädchen war überrascht über die unvermittelte Anrede. Sie blickte etwas ängstlich.
    »Mir? Nein. Ich habe sehr viel zu tun gehabt.«
    »Wissen Sie, ob heute Morgen nach Madame Lajoux und Ihnen noch jemand ins Restaurant gegangen ist?«
    »Nein. Ich habe die Tür abgeschlossen.«
    Dupin machte sich eine Notiz.
    »Sehr gut. Wann haben Sie beide Monsieur Pennec das letzte Mal gesehen?« Dupin hielt kurz inne. »Ich meine, lebend gesehen?«
    »Ich bin gestern um halb acht gegangen. Ich gehe immer um halb acht. Ich meine, seit zehn Jahren. Davor war ich auch die Abende hier, aber das schaffe ich nicht mehr. Nicht mehr wie früher. Bevor ich gegangen bin, haben wir noch kurz gesprochen, Monsieur Pennec und ich. Über die Hotelangelegenheiten, wissen Sie. Es war wie immer.«
    »Und Sie, Mademoiselle Kann?«
    »Ich weiß es nicht genau. Vielleicht gegen drei Uhr gestern Nachmittag. Ich habe ihn zuvor am Morgen gesehen, als er aus seinem Zimmer kam. So um sieben. Er hatte mich gebeten, sein Zimmer sofort zu machen.«
    »Er hat hier ein Zimmer? Monsieur Pennec wohnte im Hotel?« Mademoiselle Kann schaute mit einem schwer zu deutenden Blick zu Madame Lajoux, die das Antworten übernahm.
    »Er hat ein Haus in der Rue des Meunières, nicht weit vom Hotel. Und er hat ein Zimmer hier. Im zweiten Stock. In den letzten Jahren hat er immer öfter hier geschlafen. Es war ihm zu beschwerlich, nachts noch nach Hause zu gehen. Er war immer bis zum Schluss da, verstehen Sie, jeden Abend. Er ist nie vor Mitternacht gegangen. Nie. Er schaute nach dem Rechten. Wissen Sie, er war ein großartiger Hotelier. Wie sein Vater. Und seine Großmutter. Eine große Tradition.«
    »Warum sollte sein Zimmer sofort gemacht werden?«
    Mademoiselle Kann schien einen Augenblick zu überlegen.
    »Ich weiß es nicht.«
    »War das ungewöhnlich?«
    Wieder schien sie ganz genau nachdenken zu wollen.
    »Er hat das nicht oft gesagt.«
    »Was hat Pierre-Louis Pennec noch selbst gemacht hier im Hotel? Gibt es einen Geschäftsführer oder so etwas?«
    »Monsieur le Commissaire!« Im Ton und Blick Francine Lajoux’ lag Entsetzen.
    »Alles hat Monsieur Pennec selbst gemacht. Natürlich alles. Seit 1947 hat er das Hotel geleitet. Ich weiß nicht, ob Sie die Geschichte des Central kennen. Sie sind ja ganz neu hier. Sie sollten sie kennen! Hier wurde die moderne Kunst erfunden. Gauguin hat hier seine berühmte Schule gehabt, die Schule von Pont Aven …«
    »Madame Lajoux, ich …«
    »Pierre-Louis Pennecs Großmutter hat das alles hier begründet, sie war es. Sie war mit den Künstlern eng befreundet. Und hat sie gefördert, wie sie nur konnte. Sie hat ihnen sogar Ateliers gebaut. Sie müssen das alles wissen, Monsieur le Commissaire. Marie-Jeanne steht in den Geschichtsbüchern und Kunstbüchern. Ohne die Pension von Marie-Jeanne Pennec und das Hotel von Julia Guillou hier gleich nebenan hätte es das alles nicht gegeben. Manchmal haben die Künstler hier gewohnt und gegessen, ohne zahlen zu müssen, die meisten besaßen ja ohnehin nichts. Und …«
    Sie musste eine Pause machen, in ihrem Blick lag nun offene Empörung.
    »Und es ist bis heute eine kolossale Ungerechtigkeit, dass man um Mademoiselle Julia mehr Aufhebens macht als um Marie-Jeanne Pennec. Wissen Sie davon, Monsieur le Commissaire?«
    »Ich – nein. Davon wusste ich nichts.«
    »Sie müssen sich ein Buch kaufen. Unbedingt. Direkt an der Brücke liegt der Presseladen. Und alles nachlesen. Das alles ist sehr berühmt hier.«
    »Madame Lajoux, ich …«
    »Ich verstehe, es geht jetzt um die polizeilichen Ermittlungen, ja. Sie hatten gefragt, ob Pierre-Louis Pennec das Hotel alleine geleitet hat? Das war Ihre Frage. Oh ja! Dreiundsechzig Jahre hat er es geleitet, das muss man sich vorstellen. Er war achtundzwanzig, als sein Vater starb, der wunderbare Charles Pennec, er ist nicht sehr alt geworden. Er hatte das Hotel von seiner Mutter geerbt. Sie …«
    Madame Lajoux unterbrach sich und schien sich selbst zur Konzentration zu ermahnen.
    »Der achtundzwanzigjährige Pierre-Louis hatte, als es dann so weit war, keine Angst vor der Bürde der Tradition. Er hat das Hotel übernommen und alleine geleitet, bis zum heutigen Tag.«
    Francine Lajoux seufzte tief.
    »Und ich, ich bin für das Frühstück und die Zimmer verantwortlich, für die Zimmermädchen. Auch für die Rezeption, Reservierungen
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