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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman
Autoren: C.H.Beck
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schon bald tatsächlich tief unten in den Minen einen See (Trinkwasser) erblickt zu haben … Eine gewaltige Ausbuchtung im Fels, bis oben hin voller Schiffsgerippe, ich sah sie ganz genau im fahlen Licht der mich umgebenden (fluoreszierenden) Kristalle, die still diesen
Friedhof
säumten. Diese Höhle war die größte, die ich je gesehen hatte, unsere Siedlung, die Schlucht und der Wald, alles hätte hier Platz gefunden, eine ganze Welt ließe sich hier unten verbergen, unerreichbar für das Sonnenlicht. Und zwischen den Gerippen lagen die Knochen derer, die einst mit dem See verschwunden waren, Glücksritter und längst ausgestorbene Geschöpfe mit brüchigenKrallen, geknicksten Rippenbögen und morschen Schädelschalen.
    Ich stellte mir vor, wie damals die Erde nachgegeben hatte und das Wasser abgeflossen war (oder auch einfach nur verdunstet) und der See später in der Höhle eingeschlossen wurde, weil Steine und Flechten das Firmament überwucherten … Er trocknete einfach aus bis auf den letzten Tropfen. Vielleicht hatte man damals noch versucht, den See aufzufüllen, Bäche eingeleitet oder auf Wolkenbrüche gehofft, möglicherweise hatte man ihn auch mutwillig eingeschlossen, sich seines Platzes bemächtigen wollen, der Menschen und Fische, die kurz mal in Ufernähe eingenickt waren, um später aus ihren Träumen gerissen zu werden.
    Sie bewohnten fortan die Unterwelt, vielleicht nahmen sie ihr Schicksal tatsächlich an, weil sie, Rückschläge nicht schreckten, möglicherweise versuchten sie, ihr Los auch zu meistern, und gründeten neue Siedlungen oder lebten fortan in alten Erinnerungen. Die meisten starben wohl gleich an Ort und Stelle, und ihre Seelen blieben im Fels gebunden, sie sammelten sich um leuchtende Pfade und Feuer, die nach und nach wie sie erloschen. Mag sein, einige irrten noch eine Weile wie längst vergessene Risse durch die Eingeweide der Berge, bestimmt gewöhnten sie sich an ihr Flüstern, vielleicht gewöhnten sich ihre Augen irgendwann sogar an die Dunkelheit.
    Ich meinte plötzlich, von strahlendem Licht umgeben zu sein … Die Feuer der Brenntage reichten scheinbar bis zu jedem noch so fernen Hohlraum im Fels, die Gerippebrannten wie Zunder, und die alten Schiffe taten es ihnen nach, zurück blieben bestenfalls versteinerte Schalentiere. Ich hob sie auf und besah sie im Widerschein fluoreszierender Augenpaare, gewiss waren sie nicht von dieser Welt und wollten mir nichts Böses, nichts anderes wollte ich glauben. Diese Höhle war das Schönste, was ich je gesehen hatte, unsere Siedlung, die Schlucht und der Wald, nichts ließ sich damit vergleichen, ganze Kathedralen oder Stadien oder die im Fernsehen beschworenen Wolkenkratzer (die den Fortschritt symbolisierten), alles hätte hier seinen Platz gefunden, Asche zu Asche, Staub zu Staub, unerreichbar für das Sonnenlicht. Und zwischen den Skeletten derer, die einst mit dem See verschwunden waren, wandelten neue Glücksritter und erneut auferstandene Geschöpfe (mit spitzen Krallen), die nunmehr angetreten waren, um über die Welt zu herrschen, die allerdings dem Sog der Ereignisse, wie so viele andere zuvor, nicht gewachsen sein würden. Ich stellte mir vor, wie ich völlig unschuldig (und versehentlich) in die Unterwelt geriet und lange Zeit einen Weg suchte, aus dieser zu entkommen. Ich stellte mir weiter vor, wie es misslang und wie das Wasser immer weniger wurde oder wie es (in manchen Minengängen) immer höher stieg, bis es schließlich kein Zurück mehr gab und man nur noch darauf wartete, selbst zu Stein zu erstarren. Vielleicht hatten andere noch versucht, sich den Weg freizusprengen, Gräben mit morschen Planken zu überbrücken, möglicherweise hatten sie noch genug Kraft besessen, Erkundungstrupps in die sich immer weiter verzweigenden Stollen zu entsenden, keiner von ihnen wollte doch untätig verweilen und einfach so sein Leben lassen. Vielleicht nahmen sie später ihr Schicksal an, weil sie all die Rückschläge nicht schreckten, möglicherweise versuchten sie, ihr Los zu meistern,sangen alte Lieder und zogen die im Finsteren geborenen Kinder groß. Sie lebten von Erinnerungen und rostig gewordenen Konservendosen, die überall in den Versorgungsschächten zu finden waren … Manche dieser Lagerstätten langten schließlich noch für Jahrzehnte. Die meisten Siedler starben irgendwann wohl vor Erschöpfung, und ihre Seelen blieben in den verwesten Körpern gefangen, sie sammelten sich in den Minen und zogen irgendwann
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