Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
… Man gab dem Wind die Schuld, doch bin ich mir nicht ganz sicher, ein Funkenflug prasselte auf die Siedlung herab, die Häuser ächzten und brannten schon bald lichterloh. Die Männer und Burschen versuchten, die Brandherde zu löschen, geschlossen rückten sie gegen die Flammen vor, während die Frauen und Töchter allerlei Hab und Gut ins Freie zerrten (bevor selbst das zu gefährlich wurde). Es war die Stunde der Übermütigen, die einfach in den Flammen verschwanden, man hörte sie in den Häusern hantieren und poltern, bis die Geräusche nach und nach ausblieben, zurück blieb eingespenstisches Knistern … Tonspuren, die fortan in den Köpfen der Zurückgebliebenen ihre Bahnen zogen.
    Bald waren alle zur Untätigkeit verdammt, konnten nur noch hilflos zusehen, wie die Häuser in sich zusammenfielen, reglos standen sie vor den Rauchsäulen, und nur mein Onkel verschränkte gelassen die Arme, ich kannte ihn gut genug, es war ihm höchstens ein Ansporn.
Wir werden alles neu errichten, sollte es auch Jahre dauern,
sagte er zu mir, und in seinen Augen spiegelten sich die Flammen wider, sie zuckten und züngelten und griffen beinahe auf mich (und ihn) über. Und als wir später mit dem Wiederaufbau begannen, überraschte uns plötzlich der Winter, und der Onkel schlug vor, dass wir uns in die Minen zurückziehen sollten, weil wir dort schließlich Schutz vor dem Schnee und der Kälte und eine vorübergehende Bleibe finden würden. Ich schloss meine Augen (während er noch davon sprach) und hörte leise Schritte in der Dunkelheit, sie entfernten sich, und zurück (in mir) blieb eine noch niemals verspürte Leere.
    Ich kenne die Minen wie meine Westentasche
, sagte der Onkel,
wir können dort den Frühling abwarten, müssen allerdings Vorräte anlegen und natürlich eine geeignete Stelle finden, um ein Lager aufzuschlagen. Wir kommen nicht umhin, einiges an Bäumen zu fällen
(wenn es sein muss, sogar Birken),
vielleicht müssen wir manchen Stollen neu abstützen, doch wird uns das gelingen. Die Minen werden endlich wieder einen Sinn haben, und wer weiß, vielleicht stoßen wir sogar auf eine Goldader,
lachte der Onkel. Viele ließen sich von seinem Optimismus und Tatendrang anstecken, und selbst ich hielt es für eine gute Idee, das mulmige Gefühl in meinem Bauch ließ sich nur allzu leicht ignorieren.
    Vielleicht hätten wir auch an einen anderen Ort ziehen können, weit weg von der ausgebrannten Siedlung und den immer lichter werdenden Wäldern, ewig auf der Stelle zu treten, bei wem hinterlässt das keine Spuren … Doch wohin? Mitten im Winter, ein Fußmarsch im bitteren Frost, die Alten und Jüngsten würden die Strapazen wohl kaum überleben. Wie weit kommt man schon, wenn man ein paar Schwangere im Schlepptau hat, durch die Wälder, vielleicht bis zur Schlucht, und dann? Oder wählt man einen anderen Weg, läuft zu den fernen Bergen mit ihren schroffen Gipfeln und hofft dort auf ein Wunder?
    Soll man sich in die Ebenen aufmachen, wo es wohl andere Siedlungen gibt? Doch wie stehen die Chancen, tatsächlich mit offenen Armen aufgenommen zu werden … Neuankömmlinge und Heimatlose, die in Scharen einfallen, noch ein paar Mäuler mehr zu stopfen, ganz bestimmt würde man uns eher die Köpfe einschlagen. Vielleicht hätten wir lieber die Eisenbahn neu aufbauen sollen, die Gleise und Schwellen und Weichen, Metall ließe sich gewiss in den Minen finden (und schmelzen), und schon bald gäbe es wieder Schmiede und Schreiner (oder sogar Ingenieure), die uns neue Eisenbahnwägen konstruieren könnten, gezogen von Lokomotiven, die ganze Wälder verheizen würden. Nicht nur wir, auch die Soldaten hätten endlich dieses Land verlassen können, sie wären zu den Bahnsteigen geeilt, um zu ihren fernen Familien zurückzukehren, überall fröhliche Gesichter entlang der Schienen, die erschöpft auf den nächsten Zug warten.
    Wir jedoch begaben uns in die Minen, um dort zu leben, folgten dem Onkel und begegneten auf dem Weg noch vielen Soldaten, die an Bäumen lehnten und in Gräben lagen,einige spielten auf den Wiesen Fußball und schwitzten, sie trafen allerdings nur ganz selten ins Tor. Viele schossen mutwillig in die Luft, und einige der kleineren Kinder in unserem Zug weinten, sie erschraken und liefen los, bis sie der Onkel fluchend einholte und für Ruhe sorgte.
Es ist gefährlich, einfach
(und kopflos)
loszurennen,
sagte er, wo doch Raubtiere nur darauf warten, der Fluchtreflex brachte schon so manchen in Teufels
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher