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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman
Autoren: C.H.Beck
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Erdloch, bis er schließlich irgendwann genug von seiner Einsamkeit hatte, kurz auf den Boden stampfteund Daiiru von der Erschütterung aus dem Loch katapultiert wurde. Er erzählte davon, dass weit unten in der Erde (in einer spiegelverkehrten Welt) Menschen leben würden, und fragte, ob ihm Karusakaibu erlauben würde, ihnen Seile herabzulassen, auf welchen sie nach oben klettern könnten. Karusakaibu war an jenem Tag gnädig, sie ließen also ein dickes Seil nach unten, und die Menschen krochen daran hoch, irgendwann jedoch riss es, und die Hälfte aller Menschen blieb in der unterirdischen Welt gefangen, bis zum heutigen Tag.
    Einer anderen Schöpfungsgeschichte der Munduruku zufolge hatten einst Männer die Lebensweise der Frauen angenommen (und die Frauen jene der Männer), bis die Frauen plötzlich
heilige Posaunen
für sich entdeckten und heimlich in den Wäldern auf ihnen spielten. Als die Männer dahinterkamen, kehrten sie zu ihrer ursprünglichen Bestimmung zurück … Sie nahmen den Frauen die Posaunen ab und verbrannten viele von ihnen in lodernden Feuern (zur Abschreckung). Schließlich fiel auch noch die Sonne auf die Erde und tötete alles Leben, Karusakaibu jedoch entsandte einen Aasgeier, um in Erfahrung zu bringen, wann denn nun die Erde wieder abgekühlt sei. Dieser fraß sich an den Leichen satt und kehrte nicht wieder, Karusakaibu wartete und wartete, und nach weiteren vier Tagen schickte er einen Raben. Der wiederum fraß die Knospen der verkohlten Bäume und blieb ebenfalls verschollen, also sandte der Gott schließlich eine Taube, die als Einzige allen Versuchungen widerstand … Sie brachte ihm etwas Erdreich in ihren Klauen, und Karusakaibu schuf die Menschen erneut.
    Was uns der Onkel damit sagen wollte, habe ich nie wirklich begriffen … Vielleicht war es nackte Angst, die mich lähmte, möglicherweise hätte ich die Wahrheit erfahren können, und was dann? Bedeutet die Wahrheit nicht, eins zu sein mit den Göttern (und Dämonen), die ihr Spiel mit uns treiben? Das Leben fiel mir auch so schwer genug. Ich dachte an Mutter und weinte … Wie kann jemand tot sein, der in mir fortlebt? Warum muss jemand sterben, mit dem ich leben will? Warum fallen wir? Und wer sind die wahren Toten?

XV. Im strahlenden Licht

 
    Wir erreichten die Minen, die alten Eingänge waren noch intakt, und der Onkel wies zu den verfallenen Baracken und Containern, hier hätten die Gesellschaften ihre Büros betrieben, dort fanden sich damals die Waschküchen (er deutete zu einem Steinbruch), der linke Eingang (es gab einige) sei mit Eichenholz abgestützt, das härte mit den Jahren aus,
verlässlicher als Zement,
behauptete er. Wir nahmen den linken Hauptschacht, entzündeten die mitgeführten Fackeln und Taschenlampen, alle halfen sich gegenseitig, und die Stärkeren trugen die Erschöpften auf ihren Schultern, und die Schwächeren überließen den Stärkeren in unserem ersten Basislager (aus Dankbarkeit) die besten Fleischstücke. Wir saßen um ein paar warme Feuer, und der Onkel erklärte, wie wir weiter vorgehen und wohin wir
absteigen
würden, um dem Winter ein Schnippchen schlagen. Er wusste genau, wo sich die Wärme der Feuer gut halten würde, in welchen Ecken und Höhlen die besten Bedingungen herrschten, wo kühle Seitenstollen zu finden wären, die unsere Vorräte (eingelegtes Gemüse und Frischfleisch) konservierten, und was man als Nächstes angehen musste (
Räumkommandos
und
Erkundungstrupps
).
    Ich wurde mit ein paar der älteren Mädchen und Burschen eingeteilt, um nach Frischwasser zu suchen, der Onkel vermutete reinstes Quellwasser in irgendwelchen entlegenen Gängen und hielt es für eine gute Idee, dieses zu erschließen. Klar hätten wir ebenso nach oben klettern können, im Winter lag draußen reichlich Schnee, und die Wasserversorgung wäre auch so gesichert gewesen, doch wer konnte schon sagen, wie sich die Welt oben verändern würde. Ob nicht Soldaten die Eingänge der Minen unter ihre Kontrolle bringen und ihre strategische Lage erkennen würden,
wenn man abtaucht, läuft man immer Gefahr, etwas zu versäumen,
predigte der Onkel, und wer hatte schon wirklich Lust darauf, mit ein paar Eimern nach
draußen
zu stolpern, Gewehrläufe seitlich am Schädel und ein Bajonett im Genick.
    Der Onkel erstellte einen detaillierten Plan der Minen (soweit er sich noch erinnern konnte), doch war dieser bestenfalls eine Orientierungshilfe, keinesfalls ein
Navigationsinstrument
, ein paar der Kinder
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