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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman
Autoren: C.H.Beck
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Küche.
Ich will keine hektische Bewegung mehr sehen,
sagte der Onkel, und allen war klar, wie ernst er es meinte.
    Bei manchen Tieren musste man sich groß machen und bei anderen schreien, und manchmal empfahl es sich, ihnen in die Augen zu schauen, damit sie Angst bekamen, sich zurückzogen und für ein paar Stunden ihre Heimtücke vergaßen … Davon berichteten sie einst im Fernsehen. Und immer, wenn eines der Kinder in Panik geriet und ausbrach, ging ein Ruck durch die uns umgebenden Soldaten, einige von ihnen griffen nach ihren Gewehren und Granaten, und diejenigen, die zuvor noch Fußball gespielt hatten, visierten nunmehr Kinder an.
Immer schön langsam,
sagte der Onkel,
und schaut ihnen in die Augen, wenn sie zu nahe kommen, nur so lässt sich Schlimmeres verhindern
(also hatten die im Fernsehen doch manchmal recht).
    Ich hatte schon oft Soldaten im Wald gesehen, und wir waren daran gewöhnt, uns an sie heranzupirschen, doch hatten wir dabei nie auf ihre Augen geachtet, und immer fand sich etwas Blattwerk zwischen uns und ihnen,
die grüne Hölle,
dachte ich sehnsüchtig, die
Pufferzone
. Nunmehr standen wir vor ihnen, ohne jedwede Deckung … Ich ging langsam auf einen der Uniformierten zu und blieb vor ihmstehen, er lud sein Gewehr durch und blickte zum Himmel. Seine Augen wiesen eine mir unbekannte Trübung auf, sie erinnerten mich an Nebelbänke, verlorene Landstriche, die betäubt im Nirgendwo lagen. Wenn man einen Fisch fängt und ihn abschuppt und sein Fleisch mit Zitronensaft beträufelt (um den Geschmack zu betonen), der unweigerlich in die Kiemen und Fischaugen läuft, dann weiß man, was ich meine, wie trübe doch Augen werden können.
Die Soldaten sind blind,
dachte ich überrascht, in Wahrheit hatten sie noch nie Rehe und Wälder gesehen, sie stolperten auf gut Glück durch ein ihnen unbekanntes Terrain, wie konnten sie dann je glauben, eine Schlacht für sich entscheiden zu können?
    Ich kannte mittlerweile den Weg in die Minen, sie lagen hinter dem Bahnhof, man querte den Wald und ging bergauf zu den Hügeln, bog ein paarmal links ab, und schon erreichte man die ersten Felsspitzen. Als die Minen noch Gewinn abwarfen und mancher Mann hier Arbeit fand, hörte man die Detonationen bis zu unserer Siedlung …
die Erde bebte förmlich
, lachte der Onkel,
und der Staub legte sich über die Dächer und Straßen, wie deine Tante doch schimpfte. Wir hörten das Hämmern und Donnern der Züge, und der Wind trug manchmal sogar einen Schmerzensschrei bis in unsere Küche, die Minen brachen damals so manchen Knochen.
    Die Steine und das Erz und herabstürzende Balken und außer Kontrolle geratene Minenwaggons und die mangelnde Bereitschaft der Arbeiter, das Risiko (nach Möglichkeit) zu minimieren … daran lag es.
Das Leben eines Arbeiters war nicht viel wert,
sagte der Onkel (um unseren Zug irgendwie zu unterhalten),
doch alle waren froh, etwas Geld zu verdienen, unddie Eisenbahn sorgte für Nachschub an Gütern und frischen Kräften.
Es hieß zunächst, sie bauten nur Eisen und Kupfer ab, dann jedoch förderten sie Kohle und Diamanten zutage, entdeckten in irgendwelchen Seitenstollen sogar Uran, die Minen wurden zu groß, und niemand wusste genau, wo sie begannen und wer wonach suchte.
    Manchmal stießen wir auf Arbeiter anderer Minengesellschaften und stritten mit ihnen um die besten Plätze, oft genug trug irgendwer ein blaues Auge davon,
wusste der Onkel.
Ich habe so viele Jahre dort gearbeitet,
sagte er noch,
es wird uns zugutekommen,
und einige Männer und Frauen aus unserer Siedlung nickten und meinten wohl, das große Los gezogen zu haben. Doch ich wusste, die meisten, die in den Minen abtauchten, waren nie wieder zurückgekehrt, und kaum fand man sterbliche Überreste, wurden sie in den Wäldern verscharrt, die Todesfälle hätten zu viele Fragen aufgeworfen. Ich konnte mich nur zu gut daran erinnern, was mir der Onkel alles über seine Zeit in den Minen erzählt hatte und wie gefährlich es doch war, sich mit ihnen einzulassen.
    Der Onkel schilderte unterdessen eine alte Legende, an die das Volk der
Munduruku
angeblich bis heute noch glaubt (was zum Teufel waren das für Leute?). Demnach schuf angeblich ein gewisser
Karusakaibu
in einem lustvollen Moment die Welt, damit war es jedoch getan, und er hatte keinesfalls weitere Ambitionen …
Menschen schöpfen
und so weiter. Seinem Götterdiener
Daiiru
(ein Gürteltier) missfiel das, er wurde aufmüpfig, und Karusakaibu verbannte ihn in ein dunkles
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