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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman
Autoren: C.H.Beck
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Ort für Frauen, und wenn ich es mir recht überlege, waren sie nicht einmal ein Ort für Lebende. Wir waren Söldner und Totengräber, die zu allem Überfluss meinten, einen Beitrag zum Fortschritt zu leisten, Wohlstand zu erlangen und eine Zukunft aufzubauen, die strahlender nicht sein konnte.
    Mir selbst fiel bald auf, dass man von manchem unterkellerten Haus in der Siedlung auf direktem Weg in die Minengelangen konnte, oft verbarg sich die Öffnung hinter einem Schrank oder Wandregal. Sie schien allerdings in Vergessenheit geraten oder im Laufe vieler Jahre (mit Schimmel und Spinnweben) verwachsen zu sein, ihr Anblick war oft befremdlich. Auch in unserem Keller fand sich ein Spalt, in den ich mich (guten Willens) zwängen konnte … Er fiel mir zum ersten Mal auf, als ich mit dem Onkel ein paar alte Sachen (die von meiner Tante) verstaute,
wir würden sie im Haus nun nicht mehr brauchen
, bemerkte er. Also schichteten wir ihre Habe in einer der Kellerecken auf, sorgfältig in Papier und Plastik verpackt, schließlich sollte sie in der vorherrschenden Feuchtigkeit keinen Schaden nehmen. Ich konnte mir damals schon vorstellen, wie alles im Laufe der Jahre verstauben (oder verrotten) würde und wie wir eines Tages (aus Platzmangel!) zur nächsten Tat schreiten mussten … alles wieder nach oben hieven, auf den großen Platz tragen und im Feuer der Brenntage gut durchrösten lassen.
    Ich wollte vom Onkel wissen, wie weit der Spalt wohl reichen würde, und er klärte mich auf, dass früher beinahe jedes Haus (vor allem die alten Bauten der Siedlung) einen Zugang zu den sich überall verzweigenden Schächten hatte.
Oft dienten die Gänge als Vorratskeller, Zwischenlager oder einfach nur als Verstecke,
sagte der Onkel, und ich überlegte natürlich, wer sich hier unten vor wem versteckt hatte, ob es nur Vagabunden und Landstreicher oder doch auch Soldaten, Vertriebene und zahm gewordene Tiere waren, die verständlicherweise um ihr Leben fürchten mussten.
Viele der Gänge sind irgendwann eingestürzt,
sagte er weiter, zurück blieben die Löcher und Spalten, brüchig gewordene Stollen, die nichts als Leere und Wahnwitz beherbergten.
    Natürlich kam ich nicht umhin, den Spalt in unserem Keller genau zu erkunden, er verengte sich immer weiter und weiter, und irgendwann hing ich sogar fest, konnte nicht vor oder zurück, das Erdreich umklammerte meine Beine und Arme, und hätte mich nicht der Onkel aus der Öffnung gezogen, ich wäre wohl ein Teil des Fundaments unseres Hauses geworden.
Es gibt genug andere Wege in die Minen,
lachte der Onkel,
das solltest du doch eigentlich längst wissen
… Er fügte jedoch auch freundlich hinzu, ich müsse nichts überstürzen, er könne mir irgendwann später alles zeigen.
Und wer weiß,
meinte er noch verschwörerisch,
vielleicht kommt irgendwann die Zeit, in der die Menschen in den Minen erneut ihre Zukunft suchen.
Bestimmt lassen sich den B
ergen neue Reichtümer abringen, und wenn alle mit anpacken, können wir dieses Land erneuern, es neu aufbauen und für künftige Generationen bewahren,
strahlte der Onkel.
    Ich habe keinen Augenblick lang daran gezweifelt, dass er recht haben könnte, und mir immer wieder aufs Neue mein Leben als Bergmann ausgemalt … Ich würde Abenteuer erleben (wie der Onkel damals), mich allerlei Strapazen stellen und endlich zum Mann heranreifen (der sein Schicksal selbst in der Hand hält), ich könnte über mich selbst hinauswachsen und anderen ein Vorbild sein, den vielen Kindern und Nachbarn, die längst keine Hoffnung mehr hatten. Ich käme vielleicht auch meiner Mutter näher (die meine edlen Absichten begrüßen würde), von deren Grab nie die Rede war, die man vielleicht (der Einfachheit halber) in die Minen gebracht (begrub man nicht früher Familienmitglieder in Felsspalten?) und hier zur letzten Ruhe gebettet hatte. Ich stellte mir vor, wie ich sie zufällig dort unten entdeckte … Sie lag neben einer schillernden Goldader undschien um keinen Tag gealtert zu sein, nur der Schmutz unter ihren Fingernägeln verriet ihr neues Zuhause.
    Nicht zuletzt könnte ich auch über mich selbst vieles in Erfahrung bringen, da sich (wie der Onkel wusste) unter der Erde die Spreu vom Weizen trennte, und zurück nur das
Wesentlichste
blieb. Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr beschlich mich das Gefühl, heute wäre der erste Tag vom Rest meines noch ausstehenden und viel zu schnell schwindenden Lebens.

XIV. Die Stunde der Übermütigen

 
    Als die
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