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Brennnesselsommer (German Edition)

Brennnesselsommer (German Edition)

Titel: Brennnesselsommer (German Edition)
Autoren: Annette Pehnt
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schauten von Flitzis Fenster aus zu, wie sie am Feuer lachten und rauchten.
    »Davon stirbt man doch«, meinte Flitzi, und Anja wunderte sich, dass sie einfach auf dem Boden saßen, obwohl es sicher draußen feucht war. Und ihre Eltern wunderten sich, dass Fränzi so viele Männer kannte und dass erwachsene Leute so taten, als wären sie mitten in der Woche im Urlaub.
    »Haben die nichts Besseres zu tun?«, murmelte Papa, aber er konnte es nicht lassen, immer wieder aus dem Fenster zu spähen, als wäre der Gnadenhof ein Fernsehprogramm, das er nicht verpassen wollte.
    »Bist du neidisch?«, neckte Mama ihn.
    »Worauf denn neidisch, auf nasse Hosen und Rauchvergiftung?«, gab Papa zurück, aber Anja wusste, worauf er neidisch war: auf die Haarmähnen von Fränzis Freunden. Papas Haare wachsen einzeln aus seiner Kopfhaut, obwohl er sie jeden Morgen mit einer Tinktur massiert.
    »Hat sich da mal jemand Gedanken über die Statik gemacht?«, fügt er hinzu. Statiker rechnen aus, ob ein Haus hält, das weiß Anja. Wenn sich Papa ein Haus ausdenkt, müssen Statiker alles durchrechnen, damit es auf keinen Fall einstürzt. Aber der Gnadenhof steht schon so lange und ist noch nicht eingestürzt, warum sollte er das jetzt tun?
    Obwohl es nun nicht mehr in den Gnadenhof hineinregnet und die Zimmer richtige Fußböden haben und keine Spinnweben mehr, sieht es bei Fränzi ganz anders aus als bei Anja und Flitzi. Die Zimmer bei ihr sind nicht ordentlich aufgeteilt. Sie wohnt in der Küche und schläft manchmal im Wohnzimmer, manchmal in einem der anderen Zimmer. Kleider, Kisten und Hundespielzeug liegen sowieso überall. Es gibt keinen Vorgarten, fast keine Möbel und keine Küchenschränke, auch keinen Fernseher und keine Bilder an den Wänden.
    »Und wie weißt du dann, was in der Welt los ist?«, fragt Anja. Ihre Eltern schauen jeden Abend Nachrichten und Berichte aus aller Welt und Auslandsjournal und Krimis, und fast alle in ihrer Klasse haben einen eigenen Computer. Es geht einfach nicht anders. Aber Fränzi lebt, das gibt sie sogar zu, einfach hinterm Mond.
    »Das, was ich wissen muss, kriege ich schon mit«, sagt sie.
    »Und wenn du Hausaufgaben machen müsstest«, fragt Anja, »über Afrika oder Politik oder Säugetiere, wie würdest du alles herausfinden?«
    »Über Säugetiere weiß ich mehr als der Computer. Und außerdem habe ich irgendwo noch ein altes Tierlexikon. Und Schule war nicht mein Ding«, sagt Fränzi.
    Das ist auch wieder eine typische Fränzi-Antwort. Wenn Anja ihren Eltern so etwas sagen würde, gäbe es natürlich Ärger. Außerdem stimmt es ja nicht, die Schule ist ihr Ding, sie hat gute Noten, sie macht sich nur Sorgen um Fränzi, die von der Welt nichts mitkriegt und in einem alten Haus ohne Bilder und ohne Schränke lebt. Die Bücher, die sie hat, stapelt sie einfach wie Backsteine an den Wänden, und ihre Schuhe liegen in einem großen Haufen hinter der Tür. Ihre Kleider liegen nicht gefaltet im Kleiderschrank oder hängen auf Bügeln, sondern quellen aus zwei alten Koffern. Fränzi nimmt einfach immer das, was gerade heraushängt. Flicken und nähen muss sie auch nicht.
    »Ich mag Luft an der Haut«, sagt sie und schaut an ihren löchrigen Hosenbeinen herunter. »Nur die Schuhe müssen dicht sein, sonst kriegst du Schwimmhäute.«
    Wo Fränzi Tiere auftreiben kann, weiß sie allerdings immer ganz genau.
    Außer Benito, Keno und Krümel leben jetzt auch Hühner auf dem Gnadenhof. Krümel hat sich noch nicht an sie gewöhnt, er rast am Hühnergehege auf und ab und kläfft ununterbrochen, aber Fränzi glaubt, dass er irgendwann aufgibt. Die Hühner sind mager und legen keine Eier, weil sie früher nicht genug zu fressen und vor allem keine Sonne hatten. »Hühner«, sagt Fränzi, »sind wie Kinder, sie brauchen Sonne und Dreck, sonst gehen sie ein.«
    »Woher hast du die?«, fragt Anja und schaut den dürren Hühnern zu, die auf dem staubigen Boden hin und her eilen, als hätten sie nie etwas anderes getan. Am Anfang trauten sie sich nicht aus dem Hühnerhaus, und das erste, das in den Auslauf kam, trippelte herum, als hätte es Gipsbeine, steif und ungelenk. Erst nach einer Weile fing es an zu picken, aber dann hörte es gar nicht mehr auf.
     

     
    »Aus einer Hühnerfabrik«, sagt Fränzi und streift Anja mit einem Blick, als wüsste sie schon, dass Anja gleich nachfragen wird. »Komm, wir gehen rein und backen Waffeln.«
    »Wie hast du sie denn herausgeholt?«
    »Es war eine miese kleine
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