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Brennnesselsommer (German Edition)

Brennnesselsommer (German Edition)

Titel: Brennnesselsommer (German Edition)
Autoren: Annette Pehnt
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Gesicht wird noch etwas röter als sonst. Mama geleitet ihn an den Leuten vorbei, die am Gartenzaun Spalier stehen, direkt in die Küche, wo Fränzi mit einem Glas Most auf ihn wartet.
    »Dann filmen wir euch zuerst«, sagt Roland. Er winkt Anja und Flitzi zu sich und hält ihnen ein Mikrofon unter die Nase.
    »Was habt ihr denn mit dem Gnadenhof zu tun?«
    »Wir sind die Assistenten«, sagt Flitzi, die die ganze Zeit ein Kaninchen auf dem Arm hält, und alle klatschen. Während Anja und Flitzi noch von Fränzi und ihren Tieren erzählen, schallt auf einmal ein ungewohntes Geräusch über die Straße, ein Schnauben und Klappern. Alle drehen sich um. Da kommen, einer nach dem anderen, in einer langsamen Prozession vier Reiter hoch zu Pferde. Sie halten hintereinander am Stoppschild und bleiben dort eine Weile stehen, als müssten sie Mut sammeln, dann setzen sie sich wieder in Bewegung und trotten direkt auf den Gnadenhof zu. Alle rufen und jubeln, und Fränzi kommt mit Lönnemeier im Schlepptau aus der Küche, um zu sehen, was los ist. Als sie die Reiter auf sich zukommen sieht, lässt sie den Flaschenöffner fallen, den sie noch in der Hand hatte.
    »Das gibt es nicht! Das sind doch – das sind die Pferde vom Westernhof! Wie kommen die denn hierher?«
    Lönnemeier tritt neben ihr ungeduldig auf der Stelle, er will seinen Most und sein Interview und hat offensichtlich kein gnädiges Herz für Tiere. Aber auf einmal steht er still und schaut starr auf den ersten Reiter, einen jungen Mann mit Reithelm, der auf seinem grauen Pferd die Prozession anführt.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragt Mama, die immer noch neben ihm steht, um ihn über den Gnadenhof zu dirigieren, leise.
    »Alles in Ordnung?«, murmelt Lönnemeier. Dann brüllt er auf einmal so laut, dass Flitzi fast das Kaninchen fallen gelassen hätte: »Was heißt hier in Ordnung? Wissen Sie, wer das ist?« Er zeigt auf den Reiter auf dem grauen Pferd.
    »Keine Ahnung«, sagt Mama und schaut zu dem Mann hinüber. »Aber irgendwo habe ich den schon einmal gesehen. Wer ist es denn, vielleicht verraten Sie es uns?« Sie setzt ihre schönste Sparkassenstimme ein, aber Lönnemeier hört gar nicht zu. Er stürzt auf den Mann zu und will gerade losschreien, da scheut das graue Pferd, und Lönnemeier muss mit geballten Fäusten warten, bis es aufhört zu tänzeln. Sicherheitshalber weicht er ein Stück zurück.
    »Hallo Papa«, ruft der Reiter, »Friedel ist heute nervös, vielleicht bleibst du besser, wo du bist.«
    Jetzt fällt Mama ein, wieso er ihr bekannt vorkommt.
    »Das ist der Sohn von Lönnemeier«, sagt sie leise zu Anja und Flitzi, »der drüben in dem grünen Eckhaus wohnt. Der sich so selten blickenlässt. Was macht der denn mit den Pferden?«
    »Kannst du dein Hobby nicht woanders ausleben?«, schnauzt Lönnemeier seinen Sohn an, aber als alle anfangen zu rufen und zu klatschen, verstummt er und steht mit dunkelrotem Gesicht und verschränkten Armen am Zaun.
    »Ich habe die Pferde dem Westernhof abgekauft«, ruft der Mann und wehrt ab, als das Klatschen lauter wird, »Ruhe bitte, die Pferde gehen sonst durch. Sie sollen auf dem Gnadenhof wohnen. Fränzi, ich schenke sie Ihnen.«
    Fränzi schüttelt fassungslos den Kopf, und wieder fangen einige an zu klatschen. Roland und seine Leute filmen die Pferde und Fränzi, die sich mit mostverklebten Fingern die Haare aus der Stirn wischt.
    »Aber«, ruft sie mitten in den Applaus hinein, »was soll ich mit den Pferden, wenn mir der Gnadenhof weggenommen wird?«
    Auf einmal wird es still, so still, dass man das Hecheln der Hunde hört. Ein einzelner Gasballon gleitet aus der Hand eines Kindes und steigt rasch in die Höhe.
    »Da!«, ruft das Kind, aber niemand schaut hin. Alle Blicke ruhen auf Fränzi und Lönnemeier. Fränzi steht vor ihrem Gnadenhof, als hätten ihre Füße Wurzeln geschlagen, breitbeinig und kämpferisch. Lönnemeier schaut wütend auf den Boden. Dann hebt er den Blick und schaut zu seinem Sohn hinüber.
    »Wie soll das Viech heißen? Friedel? Ein lächerlicher Name für ein Pferd!« Seine Stimme klingt, als sei sie in Zitronensäure eingelegt.
    Dann atmet er tief durch, fährt sich durch die Haare und wendet sich schwungvoll an Roland.
    »So, und jetzt filmen Sie mal schön, Sie Neunmalkluger. Niemand will den Gnadenhof wegnehmen, alles ist erstklassig hier, ich amüsiere mich prächtig und gratuliere Frau … Frau Fränzi zu ihrer wertvollen Arbeit. Schließlich wollen wir alle, dass es den
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