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Brennnesselsommer (German Edition)

Brennnesselsommer (German Edition)

Titel: Brennnesselsommer (German Edition)
Autoren: Annette Pehnt
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Tisch sitzen, dauernd mit Sekt anstoßen und von den besonders schönen Porzellantellern besonders schöne Sachen essen, die Mama vorher stundenlang zusammengebraten und -gebrutzelt hat. Bei solchen Festen sind alle zuerst sehr feierlich und höflich und dann sehr fröhlich, aber niemand steht vom Tisch auf, nur wenn jemand aufs Klo muss. Anja und Flitzi dürfen kurz Hallo sagen und mit Sprudel anstoßen, aber dann müssen sie in ihre Zimmer und hören dem Gemurmel der Erwachsenen zu, bis sie eingeschlafen sind.
    Bei Fränzi wird nicht gemurmelt, und vorbereiten konnte sie ja auch nichts, weil sie gerade erst gekommen ist. Sie holt zwei Weinflaschen heraus, eine Menge Schokoladentafeln und Weingummi, auf ein paar Teller türmt sie Chips und Erdnüsse, lauter Dinge, die Anja und Flitzi nur ausnahmsweise essen dürfen, und dann fragt sie Martin, ob er etwas singen kann.
    »Ich hab meine Gitarre nicht mit. Hast du noch deine alte?«, sagt Martin und grinst.
    Während Fränzi Unmengen von Teelichtern anzündet und überall verteilt, holt er aus dem Keller eine alte, verschrammte Gitarre. Sie sieht aus wie etwas, das man auf dem Sperrmüll finden kann, und eine Saite ist gerissen und hängt herunter. Das ist Martin egal, er zupft ein bisschen vor sich hin und fängt an, mit lauter, tiefer Stimmezu singen. Es klingt wunderschön, und sein Gesicht wird gleich viel sanfter, seine Augen milder als sonst. Fränzi singt auch mit, Tim, der plötzlich wieder im Türrahmen lehnt, klopft mit dem Fuß den Rhythmus. Anja stopft sich mit der einen Hand Chips in den Mund, mit der anderen krault sie Keno. Benito kuschelt seine Schnauze gegen Flitzis Knie und blinzelt zufrieden vor sich hin. Fränzi hat die Beine auf den Tisch gelegt und singt aus Leibeskräften. Sie kennt alle Lieder auswendig.
    »Wusste ich gar nicht, dass Fränzi singen kann«, flüstert Anja zu Tim hinüber.
    »Klar kann sie singen«, sagt Tim, »das kann doch jeder, oder?«
    Niemand denkt in diesem Moment an etwas anderes als an die Kerzen, die sich in den ungeputzten Küchenfenstern spiegeln, und an die Musik, die fast zu laut ist für die Küche. Man müsste sie draußen spielen, am Feuer oder im Wald, so eine Art von Musik ist es.
    »Jetzt wird es aber doch mal Zeit«, sagt plötzlich Papa mitten in eine Pause zwischen zwei Liedern hinein. Er muss schon eine ganze Weile im Flur gestanden haben, denn sie haben kein Türklappen gehört. Vielleicht hat er sie sogar ein bisschen belauscht.
     

     
    Aber nun schwenkt er seine Armbanduhr durch die Luft, mit Zeiten kennt er sich aus, die muss man einhalten, findet er. Aber böse ist er nicht, auch wenn die normale Schlafenszeit längst vorbei ist.
    »Willst du einen Wein?«, fragt Fränzi, ohne die Beine vom Tisch zu nehmen.
    »Ich will meine Töchter«, sagt er, aber richtig eilig hat er es nicht, denn als Fränzi ihm eine Schale mit Chips entgegenstreckt, nimmt er welche, und er krault sogar Benito zwischen den Ohren, der den seltenen Gast mit leicht geducktem Kopf beschnuppert.
    »Wie fühlst du dich?«, fragt er.
    »Froh, dass ich wieder zu Hause bin, heilfroh«, sagt Fränzi und gießt Papa ein Saftglas randvoll mit Wein ein. Papa setzt sich zwar zu ihnen, aber den Wein nimmt er nicht. Er sieht ernst aus und schaut besorgt zwischen Fränzi und den anderen hin und her. Martin lässt die Gitarre sinken.
    »Spielen Sie doch ruhig noch etwas«, meint Papa, aber Anja ruft dazwischen: »Papa, was ist denn los, hast du schlechte Laune?«
    Papa fährt sich mit der Hand in den Nacken, seufzt und schaut auf seine Finger, die viel sauberer sind als alle anderen Finger in der Runde. Eigentlich merkwürdig, dass man Häuser in die Welt setzen kann, ohne sich die Hände dreckig zu machen.
    »Ich will euch ja das Fest nicht vermiesen. Aber vielleicht sage ich es besser gleich. Ein Kollege im Büro hat mir erzählt, dass jemand versucht, das Land hier zu kaufen, es gibt ein Angebot.«
    »Aber hier wohnt doch Fränzi!«, ruft Flitzi. »Das kann doch niemand einfach kaufen.«
    »Du hast den Gnadenhof gepachtet, oder?«, fragt Papa Fränzi. Man merkt, dass er jedes Mal fast vergisst, Fränzi zu duzen, weil er vor jedem ›du‹ eine winzige Pause macht.
    Fränzi nickt.
    »Wann läuft dein Pachtvertrag aus?«
    »Jetzt im Herbst«, sagt Fränzi, »aber ich will ihn verlängern, klar.«
    »So klar ist das eben nicht«, erklärt Papa, und bevor Anja oder Flitzi dazwischenfragen können, redet er schon weiter. »Da ist jemand, dem
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