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Brennnesselsommer (German Edition)

Brennnesselsommer (German Edition)

Titel: Brennnesselsommer (German Edition)
Autoren: Annette Pehnt
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Hühnerfabrik, ohne Alarmanlage, eher eine Art große Halle, die haben nicht damit gerechnet, dass jemand sich ein Huhn holen will.«
    »Hast du sie etwa geklaut?«
    Fränzi schweigt eine Weile. Sie schlägt Eier in eine Schüssel, rührt die anderen Zutaten dazu und stellt das Waffeleisen an. Anja wird unruhig. Sie ist noch nicht so geübt in den Spielregeln für Gespräche mit Fränzi.
    »Ich habe sie gerettet«, sagt Fränzi schließlich langsam. Jetzt soll Anja wohl selber überlegen, ob Retten und Klauen zusammenpasst oder ob Klauen auch dann unrecht ist, wenn es sich um arme, dürre Hühner handelt.
    »Hast du etwa alle Hühner einfach mitgenommen?«
    »Alle nicht, dafür habe ich nicht genug Platz.«
    »Aber das ist doch ungerecht!«, ruft Anja. »Die anderen müssen in der Fabrik bleiben, oder wie?«
    »Es ist ein Anfang«, sagt Fränzi. »Du kannst ja den Gnadenhof erweitern, dann nehmen wir alle.« Dabei weiß sie doch ganz genau, dass Anja den Gnadenhof nicht erweitern kann, wie soll sie das denn machen? Dafür braucht man Geld, Zeit und so große Hände wie Fränzi.
    Anja nimmt Fränzi den Löffel aus der Hand und lässt Waffelteig auf das heiße Eisen tropfen. Der Teig zerrinnt und verteilt sich zu einem appetitlichen Herzenkranz, es duftet nach Butter und Vanille. Fränzi und Anja schauen sich an und grinsen.
    »Willst du mit Flitzi morgen mitkommen, ein paar Kaninchen retten?«, fragt Fränzi plötzlich.
    »Klauen oder retten?«
    »Manchmal kommt das aufs Gleiche raus«, sagt Fränzi.
     
    Am nächsten Tag ist Wochenende, die Eltern frühstücken ausgiebig und lesen stundenlang Zeitung, und deswegen haben sie nichts dagegen, dass Anja und Flitzi nach einer schnellen Runde Honigbrote zu Fränzi gehen, um Kaninchen zu retten. Fränzi hat ihren alten Transporter schon auf die Straße gestellt, und sie steigen gleich ein. Die Hunde bleiben diesmal zu Hause.
    »Alles klar bei euch?«, fragt Fränzi und lacht. Sie hat sich die Haare zu einem zotteligen Pferdeschwanz gebunden und die Ärmel hochgekrempelt. Abenteuerlustig sieht sie aus, als gäbe es nichts Schöneres, als Kaninchen zu retten.
    »Magst du eigentlich alle Tiere?«, fragt Flitzi.
    »Alle gehören dazu«, sagt Fränzi, während sie zügig durch die ruhigen Straßen von Lauterbach fährt. »Na, Quallen sind nicht gerade meine Lieblingstiere, wenn ich ehrlich bin.«
    Auf der Hauptstraße ist viel los, Autos parken ein und aus, Leute packen Einkaufstüten in den Kofferraum. Sie kommen auf die Landstraße, biegen ein paar Kilometer weiter, mitten in den Maisfeldern, rechts ab und nähern sich einem alten Hof, der fast so verfallen aussieht wie die Ruine, bevor Fränzi eingezogen ist. Anja und Flitzi werden unruhig. Der Hof liegt still in der Sonne, nichts rührt sich, keine Tiere sind zu sehen.
    »Wo sind denn die Kaninchen?«, flüstert Flitzi.
    Fränzi parkt den Transporter etwas abseits und nickt zum Haus hinüber. Sie trauen sich nicht, noch etwas zu fragen. Anja würde lieber im Wagen bleiben, aber allein will sie auch nicht sein. Langsam gehen sie auf den Hof zu. Überall liegt Müll: alte Zeitungen, Schuhe, Plastiktüten. Es ist eine andere, unfreundlichere Unordnung als bei Fränzi. Eigentlich kann hier niemand leben.
    Als sie durch das Tor kommen, brüllt plötzlich jemand los: »Sofort stehen bleiben! Sonst schieße ich!« Anja und Flitzi springen entsetzt zurück, aber Fränzi geht einfach weiter.
    »Wir sind es, Herr Kastner«, ruft sie, »ich habe doch gesagt, dass wir kommen.«
    In der Tür taucht ein alter Mann auf, der sich auf eine Krücke stützt. Er hat lange dünne Haare und ein zerknittertes, dunkelrotes Gesicht.
    »Verschwinden Sie«, schreit er, »hauen Sie ab! Lassen Sie mich in Ruhe!«
    »Ich will die Kaninchen abholen«, sagt Fränzi, »das habe ich Ihnen doch erklärt.«
    »Mir egal«, brüllt der Mann, »nichts kriegen Sie, und wenn Sie nicht gleich abhauen, schieße ich!«
    Flitzi fasst nach Fränzis Hand, und auch Anja drängt sich an Fränzi und hält nach einem Gewehr oder einer Pistole Ausschau. Der Mann steht mit erhobener Faust in der Tür und starrt sie an. Fränzi wartet, und auf einmal lässt der Mann die Faust sinken und schließt die Augen. Es sieht aus, als fiele er gleich in Ohnmacht.
    »Was hat er?«, flüstert Anja, aber Fränzi geht schnell zu ihm hin, nimmt ihn am Arm und führt ihn ins Haus. Die Kinder bleiben an der Tür stehen. Keiner hat ihnen gesagt, was sie tun sollen. Sie warten und versuchen zu
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