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Brennende Kälte

Brennende Kälte

Titel: Brennende Kälte
Autoren: Wolfgang Schorlau
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    Dengler wusste nicht, wie lange sie nun schon im Dunklen saßen. Die Batterien seiner Taschenlampe waren schon lange leer. Sie lagen bis zum Bauch im Wasser. Singer hatte wie ein Irrer versucht, in mehreren Tauchgängen mit bloßen Händen die Steine wegzuräumen. Vergeblich.
    Dengler wurde müde.
    Irgendwann schlief er ein.

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    Letzter Bericht: Damals
    Dengler wachte auf, als sich neben ihm etwas bewegte. Er glaubte erst, es sei Olga, aber dann fiel ihm ein, wo er war. Sie lagen beide nun oben auf dem höchsten Felsvorsprung der Grotte. Nun gab es keinen Platz mehr, dem Wasser auszuweichen.
    Nach einer halben Stunde hatte das Wasser seine Brust erreicht und stieg langsam und unaufhaltsam weiter.
    Singer war an seine Seite gerobbt. Georg tastete im Dunkeln nach seinen Schultern und schüttelte ihn.
    »Florian«, flüsterte er. »Was war am Windgfällweiher? Warum wolltest du mich ..«
    Ein Hustenanfall unterbrach ihn.
    »... umbringen?«, flüsterte er.
    »Es tut mir so leid«, sagte Singer, und seine Stimme klang heiser. »Ich konnte nicht...«
»Warum?«
    »Es waren ... Es waren zu viele ...«
    »Was sagst du?«
    »Es waren zu viele.«
    Dengler verstand die Antwort nicht, und für einen Augenblick dachte er, Singer würde halluzinieren.
    »Zu viele ... was?«
    »Jungs. Aus dem Ort. Zwei hielten mich fest. Die anderen schleppten die Latten in den Tunnel, in dem du warst. Ich schrie, aber sie lachten. Ich konnte dir nicht helfen.«
    Singer hustete.
    »Du warst es nicht, der die Latten in den Tunnel gesteckt hat?«
    Singer hatte keine Kraft mehr. Dengler fühlte, wie er kaum merklich den Kopf schüttelte.
    Und da überkam ihn plötzlich ein großer Friede. SeinBlutsbruder hatte ihn nicht umbringen, sondern ihm helfen wollen. Das Wasser hatte seinen Mund erreicht. Dengler drückte den Kopf gegen die Felsendecke, aber es gab kein Entkommen.
    Er bewegte sich nach rechts. Er bewegte sich nach links. Da war eine kleine Einbuchtung in der Höhlendecke. Er konnte den Kopf noch zwei oder drei Zentimeter aus dem Wasser heben.
    »Florian?«
    Er griff nach Florians Kopf und wollte ihn zu sich hochziehen. Doch da spürte er, wie sich Florians Arme versteiften. Singer stieß sich mit beiden Händen von der Deckenwand ab und verschwand.
    »Florian?«

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    Wodka mit Melone
    Am Nachmittag klopfte Olga an Denglers Tür. Aber sie wartete vergebens auf sein ›Herein‹ oder auf das ebenfalls vertraute ›Willst du einen Espresso‹.
    Sie klopfte noch einmal, aber es regte sich nichts. Vorsichtig drückte sie die Türklinke herunter. Verschlossen. Offensichtlich war Georg noch nicht zurück. Nachdenklich ging sie die Treppe hinauf in ihre Wohnung. Sie setzte sich in ihren Sessel und sah zum Fenster hinaus auf die Wagnerstraße.
    Es war ein heißer, schwüler Tag. Der Sommer hatte sich in der letzten Woche noch einmal aufgebäumt. Doch bald würden kalte Tage kommen.
    Nach ein paar Minuten stand sie auf, ging zu ihrem Telefon im Flur und rief Dengler auf dessen Handy an.
    Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar.
    Sie brühte sich eine Tasse Tee und setzte sich wieder in ihren Sessel.
    Nachdem sie den Tee getrunken hatte, stellte sie die Tassen in die Geschirrspülmaschine in der Küche, ging in den Flur und wählte erneut Denglers Nummer.
    Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar.
    Sie zuckte mit den Schultern, ging ins Schlafzimmer und nahm das Buch, das sie gerade las, Mascha Kalékos Die paar leuchtenden Jahre, und setzte sich erneut in den Sessel. Sie blätterte in den Geschichten und Gedichten, konnte sich aber nicht wirklich darauf konzentrieren, nach zwanzig Minuten schlug sie es zu und wählte erneut Denglers Nummer.
    Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar.
    Sie packte den Staubsauger aus und säuberte den Teppich im Wohnzimmer. Doch bevor sie die Maschine ins Schlafzimmer zog, nahm sie den Hörer und drückte die Wiederholtaste. Der Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar.
    * * *
    Sie ging in die Küche, setzte sich und starrte die Wand an.
    Olga hielt ihre Unruhe nicht mehr aus, stand auf und ging hinunter zu Martin Klein.
    »Ich mache mir Sorgen um Georg«, sagte sie und erklärte ihm, dass Dengler in der Falkensteiner Höhle nach dem verschwundenen Soldaten suchen wollte.
    »Etwas stimmt nicht«, sagte sie. »Er hat sich noch nicht gemeldet. Vielleicht sorge ich mich umsonst, aber ...«
    Klein stand wortlos auf.
    Wenig später steuerte er ein Stadtmobil in Richtung Schwäbische Alb. Olga saß auf
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