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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News
Autoren: Frank Schätzing
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den Nerven zerren.
    Und genervt sind sie hier alle.
    Der Presseoffizier schaut finster drein, während sie zum Geländewagen gehen und sich ins Innere schwingen. Er ist sauer, bräuchte dringend jemanden, an dem er sich abreagieren kann, hat aber nur die Umstände. Hagen weiß, dass der Zorn des Mannes nicht wirklich ihm gilt oder Inga. Er muss diesen vermaledeiten Besuch vorbereiten, das geht ihm an die Nieren. Eine Visite, von der kommende Woche zu lesen sein wird, sie sei völlig überraschend erfolgt. Der oberste Dienstherr der Bundeswehr wird sozusagen aus dem afghanischen Himmel fallen, »unerwartet wie Vogelscheiße«, um es mit Kristers Worten auszudrücken.
    Hagen sieht Inga in den anderen Wolf steigen. Lachen klingt auf, tüncht die Anspannung. Soldaten, die sich freuen. Über die weibliche Begleitung und mehr noch über den Umstand, endlich von hier abhauen zu können. Als Letzter kommt Krister Björklund angelaufen und quetscht sich neben Hagen auf die Rückbank.
    »Und was ist die Alternative?«, will der Presseoffizier wissen.
    »Vielleicht die Mädchenschule in Aliabad?« Der Patrouillenführer wartet die Antwort nicht ab, spricht in sein Funkgerät. »An alle, geänderte Route. Wir fahren über die LOC Pluto zurück. Firm, fair, friendly , wenn’s durch Ortschaften geht, klar, Herrschaften? Der August war trocken, wir wollen die Leute nicht in Staubschwaden ersticken. Also runterschalten. Vollregelung Feuerverbot, wie gehabt.«
    Geänderte Route. Die Taliban sollen nicht wissen, wo die Ungläubigen entlangfahren.
    Sie wissen es trotzdem.
    Kies knirscht unter den Reifen. Der Wolf rumpelt den Weg von der Anhöhe hinab in die Ebene, eine Staubfahne hinter sich herziehend. Die anderen Fahrzeuge folgen dichtauf.
    »Das geht nicht«, nörgelt der Presseoffizier. »Wir haben schon die Jungenschule in Baghlan als ersten Besuchspunkt.«
    »Die Mädchenschule ist besser.«
    »Warum?«, fragt Hagen.
    Der Kompaniechef wendet den Kopf nach hinten und lässt ein Lächeln spielen. Seine Sonnenbrille ist mit feinem Staub überpudert.
    »Herzenssache.«
    »Ach was.«
    »Doch, ehrlich. Die Soldaten haben für den Wiederaufbau gespendet. Von ihrem Sold, den paar Kröten. Anders wäre es gar nicht gegangen. Ich sage Ihnen, die lieben diese Schule!«
    »Er will aber nicht noch eine Schule«, murrt der Offizier. »Er will ein Wasserwerk. Er liebt Wasserwerke!«
    »Das hier zeigen wir ihm jedenfalls nicht.«
    Natürlich weiß der Presseoffizier, dass der Patrouillenführer recht hat, auch wenn er als ranghöherer Dienstgrad für den Moment erheblich mehr Theater machen könnte. Er ist Hauptmann, der andere Oberleutnant. Aber vielleicht hat der Schreibtischkrieger, jetzt wo ihm bei45 Grad im Schatten die Puste ausgeht, doch einiges mehr von Afghanistan begriffen als die aufgeblasenen Säcke im Einsatzkommando. Außerdem ist der Presseverantwortliche nicht das Problem. Nur ein Typ, der noch mal befördert werden will. Um das Problem zu verstehen, muss man wissen, dass in die Luft gesprengte oder sonst wie getötete deutsche Soldaten nach dem Willen des amtierenden Verteidigungsministers Franz Josef Jung keine Gefallenen sind, sondern »einsatzbedingt ums Leben kamen«. Schließlich war der »Gefallene« auf dem besten Weg auszusterben. Nie wieder sollte er durch deutsche Befindlichkeiten geistern, weshalb das Ganze hier auch nicht Krieg heißen darf. Im Krieg gibt es »Gefallene«, das ist das Problem. Im Frieden nippelt man einsatzbedingt ab.
    Macht es nicht besser, klingt aber besser.
    So sind die Hindukusch-Befohlenen im blinden Fleck gelandet, da man zu Hause am liebsten überhaupt keine Geschichten über Soldaten hören möchte, ob tot, halb tot oder lebendig. Nirgendwo sonst wird einer Armee, die im Ausland den Kopf hinhält, so wenig Rückendeckung zuteil wie in Deutschland, wo einer, wenn er bloß in Uniform zu McDonald’s geht, schon angestarrt wird, als sei er zu blöde, seinen Burger aus dem Papier zu wickeln – sofern er nicht gleich in den Verdacht latenter Mordlust gerät.
    Hagen schließt die Augen. Schreibt:
    Wir schicken unsere Söhne und Töchter in einen Krieg, für dessen Führung wir sie verachten.
    Könnte als Einstieg funktionieren. Weiter?
    Sofern man von Führung reden kann. Noch mehr als fürs Kämpfen verachten wir sie dafür, dass sie versuchen, ihre Haut zu retten. Auftrag erfüllt, Auftrag verfehlt. Für beides, Soldat, straft dich der friedliebende deutsche Zivilist mit Verachtung.
    Zu
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