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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News
Autoren: Frank Schätzing
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nicht verantworten.« Er atmet schwer. Ist blass, wirkt ausgedörrt. Besonders gut geht es ihm nicht.
    »Sie trinken zu wenig«, sagt Hagen und versucht, Besorgnis mitschwingen zu lassen.
    »Eigentlich nicht, ich –«

    »Doch. Ich war öfter in solchen Gegenden als Sie. Die meisten brauchen Wochen, um sich zu akklimatisieren. Also trinken Sie. Gehen Sie in den Schatten. Folgen Sie meinem Rat, vertrauen Sie mir.« Er grinst. »Sagen Sie einfach, Tom Hagen hat in allem mehr Erfahrung als ich. Den kann ich gehen lassen, wohin er will.«
    Der Offizier grinst schwach zurück.
    »Jetzt sagen Sie’s schon.« Inga neben ihm lacht. »Sagen Sie, Tom hat mehr Erfahrung als ich. Ein Teufelskerl, dieser Hagen! Er hat den Durchblick und ich hab Kreislaufprobleme.«
    Fehler.
    Die Stimmung schlägt um. Wahrscheinlich denkt der Mann, dass Hagen sich ihm gegenüber zackige Sprüche erlauben kann, nicht aber ein Gör mit der Welterfahrung eines frisch geschlüpften Kükens. Volontärin? Lachhaft. Dem Kerl an die Seite gestellt, damit er im Feldlager keinen Soldatinnen an den Drillich geht, das denkt der Mann, und dass Kunduz kein Kindergarten ist.
    »Hier geht es nicht um journalistische Erfahrung«, sagt er verschnupft.
    Sie schauen eine Weile hinab ins Dorf.
    »Wo ist eigentlich das Problem?«, insistiert Inga. »Wenn der Norden so sicher ist, wie Sie sagen, kann uns doch gar nichts passieren, oder? Es sei denn, Sie sagen was Falsches. Dann hat die Öffentlichkeit ein Recht –«
    »Inga.« Hagen zeigt auf das Pumpgebäude des Wasserwerks, das wie ein Bauklötzchen aus der Anhöhe sticht. Björklund lichtet dort die Soldaten der Schutzkompanie ab, die den Hügel nach Südwesten sichern, ihre schweren G36K am Schulterriemen. Die Mündungen der Gewehre zeigen zu Boden.
    »Frag Krister doch mal, ob er was braucht.«
    Die Volontärin verdreht die Augen. »Der braucht nichts.«
    »Frag ihn trotzdem.«
    Sie zuckt die Achseln, zockelt ab. Schwingt provozierend die Hüften, allemal lohnender anzuschauen als die Tristesse der Tiefebene ringsum. Wohl darum scheint der Presseoffizier zu denken, der Verlag habe sie Hagen als Groupie spendiert, aber das stimmt nur bedingt. Inga ist talentiert. Dass sie außerdem weiß, wie man ein gut proportioniertes Becken zum Einsatz bringt – und sei es nur, um einen staubigen Platz zu überqueren – , wird ihrer Karriere kaum hinderlich sein.
    Im Camp haben ihr bislang noch alle auf den Hintern geschaut.
    Und dabei vielleicht eine Kopfdrehung lang vergessen, wozu derFeind in der Lage ist. Für Sekunden die hypothekenbelasteten Reihenhäuser ausgeblendet, in denen ihre früh mütterlich gewordenen Frauen Erinnerungsfotos betrachten, das Kinderzimmer renovieren und sich den Tag seiner Rückkehr vorstellen. Ablenkung gefunden von der Freundin, die sich bei jedem Telefonat ferner anhört, nicht die erste wäre, die per SMS Schluss macht. Der Satellit, der sie alle miteinander verbindet, ist eine Schnittstelle der Einsamkeit und Inga ein Flashback aus einer Zeit, die Jungs ihres Alters nur noch aus Filmen kennen: 1954, Korea, Truppenbetreuung. Der Hüftschwung der Monroe. Der Arsch der Welt, wie er in den besten Momenten aussehen kann.
    Heute guckt keiner.
    Der Trupp hat sich verteilt, die Atmosphäre ist aufgeladen. So viele Male sind sie schon hier gewesen. Wann immer sie mit ihren Geländewagen reingerumpelt kamen, zogen sie einen Kometenschweif von Kindern hinter sich her. Haben das Wasserwerk wieder instand gesetzt, den Bau einer Mädchenschule in Angriff genommen. Waren gut gelitten. Freundliche Worte, Tee mit dem Malik.
    Nie ein Problem.
    Jetzt ist nichts so, wie sie es erwartet haben.
    Gespenstische Stille liegt über der Ansiedlung. Ein paar Ziegen geraten ins Blickfeld, blöken verschreckt. Ein Junge treibt sie dem dunklen Schlund eines Stalls entgegen, augenscheinlich das letzte menschliche Wesen im Dorf. Die Art, wie er läuft, seine Blicke umherirren, lässt darauf schließen, dass er sich am liebsten in Luft auflösen würde.
    Kein einziges Mal hebt er die Augen zur Anhöhe.
    Er hat Angst.
    Wovor? Die Kinder in diesen Dörfern haben keine Angst vor ISAF -Patrouillen.
    »Schwarzer Rauch!«, ruft einer der Soldaten.
    Das Vokabular des Widerstands. Hagen weiß, dass der Patrouillenführer gleich die Zelte abbrechen wird. Sieht ihn aus dem Schatten des Dingos treten, wo er während der vergangenen Minuten mit dem Kraftfahrtfeldwebel die Lage erörtert hat, startet einen letzten Versuch, den
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