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Breaking News

Breaking News

Titel: Breaking News
Autoren: Frank Schätzing
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Presseoffizier umzustimmen.
    Der Mann schüttelt müde den Kopf.
    »Ich soll vom Alltag unserer Soldaten hier erzählen«, beharrt Hagen. »Dafür muss ich was zu erzählen haben .«
    »Haben Sie doch.«
    »Machen Sie Witze? Seit einer Woche werden wir Zeuge, wie das 13. Kontingent seine Panzer entstaubt, heimwehkranke Rekruten zurPoststelle rennen, Feldjäger versuchen, aus einem Haufen afghanischer Analphabeten Polizisten zu machen …«
    »Das ist der Alltag unserer Soldaten.«
    »Nicht zu vergessen die aufwühlenden Impressionen aus dem Betreuungszelt. Wie viele Dosen Bier darf ein Gefreiter am Tag gleich noch ausnuckeln? Zwei?«
    »Das ist nicht fair, Tom.«
    »Eben. Es ist nicht fair.« Hagen seufzt. »Dieser Einsatz ist saugefährlich, das ist euer Alltag! Darüber will ich berichten. Nicht, wie ihr im Camp Wasserschutzübungen durchführt für den Fall, dass im Stabszimmer die Kaffeemaschine durchbrennt.«
    »Es gibt bestimmt andere Wege, Ihre Auflage zu erhöhen.«
    »Das war auch nicht fair.«
    »Keiner bezweifelt, dass Sie ein Held sind, Tom.«
    »Darum geht es nicht. Die Soldaten hier haben verdient , dass wir davon berichten.«
    »Nein. Bleiben wir ruhig mal bei Ihnen. Ich verstehe Sie ja. Im Ernst! Sie sind durch die Mohnfelder von Helmand gekrochen, während die Taliban versucht haben, Ihnen den Arsch wegzuschießen. Ihr Fotograf steckt Schwarzenegger in die Tasche. Und die Kleine da ist ganz gewiss die Hoffnungsträgerin Ihrer Zunft. Alles begriffen.« Er sieht Hagen in die Augen, macht keinen Hehl aus seiner Abneigung. »Aber wir halten es nun mal anders in der Bundeswehr. Wenn die Royal Marines kein Problem damit haben, Reporter in die Green Zone zu schleppen, ist das deren Sache. Mir wurde eingeschärft, Sie und Ihr Team zu schützen.«
    »Es wäre unsere freie Entscheidung, wenn wir mitkämen.«
    »Falsch. Solange Sie im Rahmen unserer Einsätze berichten, ist es meine Entscheidung. Der Ausflug nach Tal Gozar kann im Desaster enden. Wir wissen, dass der Malik dort einer ganzen Rotte Mudschaheddin Gastrecht gewährt. Die Einsatzleitung rechnet mit bewaffneten Auseinandersetzungen. Viel zu riskant, Sie einzubetten.«
    »Es war abgesprochen, dass wir bei regulären Patrouillenfahrten dabei sind.«
    »Bei regulären, ja.«
    »Ich bitte doch nur darum –«
    »Eigentlich dürften Sie hier schon gar nicht dabei sein.«
    Hagen kämpft seinen Zorn herunter. Er weiß, dass er seine Gefühle im Zaum halten muss. Also schweigt er, während der Patrouillenführer zu ihnen tritt. In seiner sandfarbenen, dunkel gesprenkelten Montur mit der schweren Schutzweste sieht er aus wie eine Actionfiguraus einem Spielzeugladen. Nur das Sonnenhütchen mit der Schlabberkrempe, das sie hier alle tragen, will nicht recht dazu passen. Damit sieht er aus wie ein Tourist.
    »Und?«, fragt der Offizier.
    »Keine Chance.« Der Mann lässt einen Arm kreisen. »Selbst wenn wir pro Himmelsrichtung je einen Wolf postieren. Wir können die Zufahrten nicht einsehen.«
    »Dafür haben Sie doch die Dingos.«
    »Für die Hauptzufahrt, ja. Aber dann gibt’s immer noch ein Dutzend weitere Möglichkeiten, reinzukommen. Jede Menge Engpässe. Ich könnte keinen Dingo auch nur in die Nähe bringen, ohne den Leuten zwangsläufig durch die Küche zu fahren. Und wir sitzen hier oben auf dem Präsentierteller. Keine Gebäude, keine Dächer, auf denen ich Scharfschützen postieren kann. Außerdem –«
    Er weist mit einem Kopfnicken ins Dorf.
    Die Rauchfahne ist nun weithin zu sehen, ein mahnender Finger. Warnt die Gotteskrieger, dass eine Patrouille in der Gegend ist. Was bedeutet, dass auch sie in der Gegend sind. Nach zu vielen schmerzlichen Lektionen wissen die Soldaten die Zeichen zu deuten. Etwa, wenn Ansiedlungen plötzlich wie verödet daliegen, weil keiner mehr aus dem Haus geht oder sich über Nacht zu seinen Verwandten verkrümelt hat. Dann haben die Mudschaheddin unter Garantie einen Hinterhalt vorbereitet oder eine IED gelegt oder beides.
    Auch der Junge ist verschwunden, mitsamt seinen Ziegen.
    »25 Kilometer bis Lummerland«, sagt der Patrouillenführer fröhlich. »Packen wir’s.«
     
    Lummerland. Die kleine Heimat.
    Bier trinken, Bundesliga auf Großleinwand gucken, Billard spielen, kickern. Was offiziell unter ›Betreuungseinrichtung‹ firmiert, ist der Hotspot im Camp Kunduz, ein Zwitter aus Basar und Gartenkneipe, den sie den Soldaten spendiert haben, um den Kopf frei zu kriegen, wenn Terror und Langeweile wechselweise an
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