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Bravo, liebes Hausgespenst!

Bravo, liebes Hausgespenst!

Titel: Bravo, liebes Hausgespenst!
Autoren: Marie Louise Fischer
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übertrieben, sondern nickte wohlgefällig. „Gut, daß du das einsiehst. Und ich bin dein Freund, vergiß das nicht. Also brauchst du auch keinen anderen.“ Als wenn die Sache damit entschieden wäre, begann er sich vor ihren Augen aufzulösen.
    „Hör mir doch zu, Amadeus!“ rief Monika hastig. „Norbert ist nicht mein Freund, und er wird es auch nie werden. Aber er ist neu in der Gegend, und er sucht Anschluß. Er will sich mit mir befreunden, nicht ich mit ihm. Du darfst ihn nicht ärgern, wenn er auftaucht, sonst...“
    Aber Amadeus schien nicht mehr auf sie zu hören und zerfloß sehr schnell in das wolkige Gebilde, aus dem er sich entwickelt hatte.
    „Amadeus, lauf nicht weg!“ rief Monika. „Ich habe dir noch nicht alles gesagt! Wenn es herauskommt, daß du hier bei uns lebst, dann werden nicht nur die Leute von den Medien kommen…“
    „Was heißt das denn nun schon wieder?“ ertönte seine Stimme.
    „Ach, bin ich froh, daß du noch hier bist! Medien, das sind die Vermittler... die, die das, was in der Welt geschieht, den Menschen vermitteln... Zeitungen, Zeitschriften, Radio, Fernsehen...“
    „Warum sagst du das nicht gleich?“
    Monika ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. „Nicht nur die werden kommen“, sagte sie eindringlich, „sondern auch solche, die sich auf Gespenster verstehen!“ Monika wußte sehr wohl, daß Amadeus dieses Wort „Gespenst“ nicht liebte und stets behauptete, kein Gespenst, sondern ein normaler zwölfjähriger Junge zu sein, der nur zufällig seit über zweihundert Jahren lebte, sich sichtbar und unsichtbar machen konnte und nicht zu essen und zu schlafen brauchte. Aber jetzt benutzte sie es absichtlich, um ihm den Ernst der Gefahr klarzumachen. „Es gibt Leute, die Gespenster bannen... die dich von hier vertreiben können, Amadeus! Deshalb ist es in deinem Interesse, wenn so wenige wie nur möglich wissen, daß du hier spukst...“
    Monika sprach noch eine ganze Weile weiter, bis sie das untrügliche Gefühl überkam, daß Amadeus sich nicht mehr im Raum befand.
    „Typisch für dich“, murmelte sie wütend, „wenn dir was unangenehm ist, verduftest du einfach. Aber das ist doch keine Lösung.“
    Sie sprang aus dem Bett, zog die Vorhänge so fest zu, daß kein Mondstrahl mehr in ihr Zimmer dringen konnte. Wenige Minuten später war sie trotz aller Sorgen fest eingeschlafen.

Ein unerwünschter Besuch

    Da es Monika nicht gelungen war, sich mit Amadeus zu einigen, befand sie sich in einer schwierigen Situation. Sie mußte Norbert, den sie gut leiden konnte, dauernd abwimmeln. Weil sie ihn nicht kränken wollte und ihm auch nicht die Wahrheit sagen konnte, tat sie es mit Gründen, deren Fadenscheinigkeit sie selber nur zu gut merkte.
    Norbert verstand überhaupt nichts. Obwohl ihn die Klasse immer noch hin und wieder für sein spitzes st auslachte, litt er doch nicht an Minderwertigkeitskomplexen. Er fühlte, daß er Monika sympathisch war und wußte auch nicht, warum es hätte anders sein sollen. Ingrid mußte immer noch das Bett hüten, und so ergab es sich ganz von selber, daß Monika und Norbert in den Pausen die meiste Zeit zusammen waren. Sie verstanden sich prächtig und konnten über alles miteinander reden. Norbert ließ es sich auch nicht nehmen, Monika von der Schule nach Hause zu begleiten — bis zu dem Punkt, wo die große Wiese, die vor dem Haus am Seerosenteich lag und die zu dem Besitz gehörte, begann. Seit jener sonderbaren Schneeballschlacht ließ Monika ihn nie mehr auch nur einen Schritt über die Grenze machen. Norbert fand ihr Benehmen höchst wunderlich. Er witterte, daß etwas dahintersteckte. Vielleicht, so dachte er, gab es doch einen großen Jungen. Ihrem Benehmen nach konnte er sich aber nicht vorstellen, daß sie mit ihm befreundet war. Er dachte, daß sie eher Angst vor ihm hatte.
    Da er gern Abenteuerbücher las, träumte sich Norbert oft in die Rolle eines Helden hinein. Manchmal glaubte er sogar wirklich, daß er einer wäre. Deshalb entschloß er sich, das Geheimnis zu klären und, wenn es wirklich einen anderen Jungen geben sollte, Monika von ihm zu befreien. Daß er gegen einen Jungen von fünfzehn, sechzehn Jahren, wie er nach Monikas Angaben sein mußte, gar nicht ankommen würde, daran dachte er nicht. Er machte sich auch gar keinen festen Plan, sondern wollte es einfach darauf ankommen lassen.
    So machte er sich eines Nachmittags auf den Weg zum Haus am Seerosenteich, ohne daß er seinen Besuch vorher angekündigt
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