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Bravo, liebes Hausgespenst!

Bravo, liebes Hausgespenst!

Titel: Bravo, liebes Hausgespenst!
Autoren: Marie Louise Fischer
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aufhörst, spreche ich nie mehr ein Wort mit dir!“
    „Mit wem redest du denn da?“ fragte Norbert erstaunt.
    „Mit dir“, erwiderte Monika prompt, „ich habe mich bei dir entschuldigt.“
    „Das hättest du ruhig ein bißchen lauter tun können!“
    „Also denn... entschuldige bitte, lieber Norbert! Ich hatte den letzten Ball schon geformt, da ist er mir einfach aus der Hand gerutscht.“
    „Du hast vielleicht ein Tempo vorgelegt! So was habe ich noch nie erlebt!“
    „Übung macht den Meister! Das liegt sicher daran, daß wir hier in Oberbayern viel mehr Schnee haben als ihr oben im Norden“, schwindelte Monika.
    „Trotzdem... ich bin ganz weg!“
    „Dann wünsche ich dir gute Erholung, pfüat di!“ Dann wurde ihr klar, daß Norbert diesen bayerischen Gruß, der auf hochdeutsch soviel wie „Gott behüte dich“ heißt, wahrscheinlich nicht verstand und fügte „Tschüs!“ hinzu, was, wie jeder Mensch weiß, eine Verballhornung des französischen „adieu“ ist. „Dann bis morgen!“
    Während Norbert sich noch aufrappelte und den Schnee von seinem Anorak klopfte, strebte sie, so schnell sie konnte, dem Haus zu.
    So ärgerlich sie auch zuerst gewesen war, mußte sie jetzt doch in sich hineinkichern: Ein Spaß war es doch!

Geisterstunde bei hellem Mondlicht

    In dieser Nacht kam Amadeus zu Monika. Sie hatte auf ihn gewartet, ihn immer wieder gerufen und versucht, wach zu bleiben. Aber erst als sie es aufgegeben hatte und doch eingeschlafen war, erschien er.
    Er machte sich bemerkbar, indem er ihr die Decke wegzog.
    „Laß das!“ murmelte sie verschlafen und versuchte sich wieder zuzudecken.
    Als sie merkte, daß sie die Decke nicht finden konnte, wurde sie völlig wach. „Amadeus!“ befahl sie. „Gib mir sofort meine Decke wieder! Ich friere!“
    Schon am Tag hatten sich die Wolken verzogen. So war jetzt eine sternenklare, mondhelle Nacht. Monika hatte ihre hübsch geblümten Vorhänge nicht ordentlich zugezogen, und so fiel eine breite Bahn hellen Mondlichtes in das Zimmer. Sie sah deutlich, wie ihre Bettdecke, die auf dem kleinen Sessel vor dem Schreibtisch gelegen hatte, sich erhob, auf sie zuschwebte und sich auf sie herabließ. Aber sie wunderte sich nicht mehr darüber, sie war solche Streiche längst gewöhnt.
    „Warum kommst du so spät, Amadeus?“ fragte sie. „Ich habe bis nach Mitternacht auf dich gewartet!“
    „J’avais peur!“ ertönte eine Stimme aus dem Nichts.
    Monika wußte, daß sie Amadeus gehörte. „Was heißt denn das schon wieder?“
    „Oh! Ich vergaß, daß du une fille inculte bist... ein ungebildetes Mädchen!“
    „Nun werde nur nicht unverschämt!“
    „Wer nicht Französisch spricht, ist ungebildet!“ behauptete Amadeus mit Nachdruck.
    „Vor zweihundert Jahren vielleicht, aber heute nicht mehr. Wenn man schon eine Fremdsprache können muß, dann Englisch.“
    „Ich mag mich nicht mit dir streiten“, erklärte Amadeus blasiert.
    „Also raus mit der Sprache! Warum bist du nicht früher gekommen?“
    „Ich hatte Angst!“
    „Du und Angst! Das ist ja lächerlich!“ Monika rieb sich die müden Augen.
    „Ich hatte Angst, daß du mit mir schimpfen würdest.“
    Auf dem Sessel, auf dem eben noch die Bettdecke gelegen hatte, bildete sich, im Mondlicht deutlich sichtbar, etwas wie ein Nebel, eine Art kleiner Wolke. Es wurde größer, reckte und streckte sich und nahm menschliche Formen an. Erst waren sie ganz plump wie bei einem Lebkuchenmann. Monika konnte die Konturen von Armen, Beinen, dem Rumpf, dem Hals und dem Kopf unterscheiden. Das sonderbare Gebilde verfeinerte sich immer mehr, bis Amadeus ganz deutlich sichtbar war. Er sah aus wie ein zwölfjähriger Junge — was zu sein er auch vorzugeben pflegte — , der in der Tracht einer längst vergangenen Zeit gekleidet war. Er trug ein reich geschmücktes Hemd mit Rüschen und Spitzen, die ihm aus den Ärmeln und dem Ausschnitt seines hellblauen seidenen Fracks hervorquollen. Seine Hose war unter den Knien über den weißen Strümpfen gebunden, und an den Füßen hatte er schwarze Schuhe mit Silberschnallen. Sein Gesicht war fein gezeichnet, die großen blauen, hübsch bewimperten Augen standen weit auseinander. Auf seinem Kopf saß eine weiße Perücke, die hinten in einem Zopf endete.
    Wer ihn nicht kannte, hätte ihn für einen lebendigen Jungen gehalten, wenn er nicht doch immer ein wenig durchsichtig geblieben wäre.
    Auf Monika machte seine Verwandlung, die sie nun schon so oft gesehen hatte,
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