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Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Titel: Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss
Autoren: Berte Bratt
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Kind so gestanden, und Omi hatte vorsichtig dies oder jenes herausgeholt und mir gezeigt: den kleinen geschnitzten Buddha, die rote Lackschale, den ziselierten Messingbecher - Dinge, die ihr Vater vor vielen, vielen Jahren aus China mitgebracht hatte.
    Zum erstenmal machte ich selbst die Vitrine auf, zum erstenmal war ich es, die die Tassen auf ihren Platz stellte.
    In diesem Augenblick wurde mir bewußt, welchen Platz ich künftig ausfüllen mußte.
    Ja, zusammen mit dem Porzellan räumte ich auch etwas anderes weg: die letzten Reste meiner Kindheit, die Unbekümmertheit und die Sorglosigkeit.
    Von jetzt an hatte ich die Verantwortung eines erwachsenen Menschen. Jetzt hing es von mir allein ab, ob Vati richtig versorgt wurde, ob unser Heim gemütlich und gepflegt war, ob unser Geld vernünftig verwaltet wurde.
    Ich schloß die Vitrine. Ich schloß die Tür ab - hinter dem feinen Porzellan und hinter meiner eigenen Kindheit.

2.
    Vati war für ein paar Tage nach Bremen gefahren, und Columbine, ihre Kätzchen und ich waren allein. Eigentlich nicht ganz allein, denn abends kam meine Freundin Inken und übernachtete bei mir. Vati war ruhiger, wenn er mich nicht mutterseelenallein wußte, obgleich unsere Insel der friedlichste Ort auf der Welt ist. Inken und ich sind von jeher die besten Freundinnen gewesen - seit wir in unseren Kinderwagen saßen und unsere Mütter Erfahrungen über Babykost und Windelqualitäten austauschten. Es war nett zu wissen, daß Inken jeden Abend kam. Ich machte dann Feuer im Kamin und kratzte irgendwas Gutes aus der Speisekammer zusammen, und wir plauderten leise und vertraulich, wie schon oft. »Du, Britta«, sagte Inken eines Abends, »ist es nun wirklich euer Ernst, diesen Sommer keine Gäste zu nehmen?«
    »Scheint so. Vati meint, es würde mir zuviel.«
    »Schade«, sagte Inken. »Wieso?«
    »Ja, weißt du, bei uns ist alles vergeben; die ersten Gäste kommen schon in wenigen Tagen. Heute bekamen wir einen Brief von einer Dame, die wir gern genommen hätten. Dann dachte ich, falls ihr es euch anders überlegt hättet...«
    »Warum möchtet ihr sie so gern haben? Kennt ihr sie?«
    »Nein, nur ihr Brief gefiel uns. Ich habe ihn mitgebracht. Bitte sehr, lies ihn doch!«
    Ich las. Inken hatte recht. Es war ein reizender Brief, ganz persönlich und freundlich geschrieben. Außerdem gefiel mir die Handschrift. Wenn man etliche hundert Briefe von Menschen gelesen hat, die ein Sommerquartier suchen, kriegt man Übung im Beurteilen von Handschriften. Es handelte sich um eine junge Frau, die ein Zimmer für sich und ihr vierjähriges Töchterchen suchte. Die Kleine hatte Bronchitis gehabt, und ihr hatte der Arzt Nordseeluft empfohlen.
    Ich sah nach der Unterschrift. Die Dame hieß Bernadette Grather, und der Brief kam aus Frankfurt.
    »Da es sich um einen längeren Aufenthalt handelt als sonst bei Sommergästen, ist es vielleicht besser, daß ich noch ein bißchen über uns erzähle«, schrieb Frau Grather. Sie wollte gern so bald wie möglich kommen und zwei bis drei Monate bleiben. Ihr Mann wäre einige Zeit beruflich im Ausland. Am liebsten käme sie in etwa vierzehn Tagen. Dann könnte sie mit gutem Gewissen wegfahren. Sie sei fünfundzwanzig Jahre alt, ihr Mann Kameramann beim Film, und sie hätten nur das eine Kind. »Unsere kleine Elaine ist ein artiges Kind; lebhaft zwar, aber sie macht nicht mehr Unfug als andere normale Kinder. Ich lege ein Bild von ihr bei.« Das Foto zeigte ein süßes kleines Mädchen, das auf dem Rücken eines riesigen Bernhardinerhundes saß.
    »Weißt du was, Inken?« sagte ich. »Diese Gäste möchte ich auch gern haben.«
    »Hab ich mir gedacht«, erwiderte Inken. »Sprich doch mit Onkel Benno darüber! Jetzt muß ich aber in die Falle, Britta. Ich bin müde wie ein Kuli nach Überstunden!«
    »Verschwinde bloß. Ich komme gleich, werde nur ein bißchen Ordnung machen.«
    Inken gähnte herzhaft und ungeniert und machte sich aus dem Staube. Kein Wunder, daß sie müde war. Sie arbeitete als Büro- und Ladenhilfe. Der Montag ist immer ein anstrengender Tag für sie, und heute war Montag.
    Ich räumte Obsttellerchen und Limonadengläser weg und machte die Tür auf, damit Columbine ihren Abendspaziergang machen konnte. In dem Augenblick, als ich zurück ins Wohnzimmer kam, läutete das Telefon. Vati rief an. »Warst du schon im Bett, Brittachen?«
    »Nein, aber beinahe. Wie geht’s?«
    »Großartig. Ich rufe an, um dir zu erzählen, daß ich einen Riesenauftrag
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