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Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Titel: Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta
Autoren: Berte Bratt
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was Ellen geschrieben hatte:
    „Warte mit allen Einkäufen, bis Du in Paris bist, dort kann man in den großen Geschäften mit Reiseschecks bezahlen und bekommt zwanzig Prozent Rabatt.“
    Ja, wie gesagt, wir waren schon zwei Leichtfüße! Ich gelobte mir hoch und heilig, daß wir von diesem Augenblick an vernünftig sein wollten; auf jeden Fall wollte ich das sein.
    Vati hatte anscheinend nicht dasselbe Gelübde abgelegt. Kurz nachher kamen wir an einer kleinen mageren Frau vorbei, die auf dem Gehsteig stand und Hampelmänner verkaufte.
    Sie hatte einen Schal um den Kopf, trug eine abgeschabte Jacke und sah ziemlich durchfroren aus.
    Vati ergriff das große Paket unter meinem Arm.
    „Bitte schön“, sagte er und legte es auf den Tisch zwischen die Hampelmänner. Dann zog er mich mit sich fort in das Menschengewühl. Wir sahen uns nicht mehr nach der Frau um, und als ich endlich die Sprache wiederfand, waren wir wieder auf dem Bahnhof.
    „So“, sagte Vater, „nun brauchen wir nicht mehr auf das Paket aufzupassen. War das nicht schlau von mir?“
    Ja, ja, so ist er, mein unmöglicher Paps!
    Wie gesagt: ich hatte mir vorgenommen, vernünftig zu sein, und ich sah voraus, daß es Schwierigkeiten geben würde. So war es auch. Der erste Kampf begann drei Minuten, nachdem der Pariser Zug Hamburg verlassen hatte.
    „Jetzt freue ich mich aufs Essen. Komm, wir müssen uns beeilen, Britta, denn im Speisewagen wird es voll werden.“
    „Halt“, sagte ich, „wir haben doch das ganze Freßpaket von Omi: Wir brauchen gar nicht in den Speisewagen zu gehen.“
    Vati hatte ausgezeichnete Gegengründe! Wir seien doch das erste Mal zusammen auf einer Reise! Im Speisewagen sei es viel bequemer; wir wollten ein wenig feiern, und Omis Butterbrote konnten wir ja morgen zum Frühstück verzehren.
    Nun, ich war sechzehn Jahre und voller Unternehmungslust. Wir gingen also in den Speisewagen.
    Hinterher saßen wir im Abteil einander gegenüber. Vati las ein Buch über romanische Kirchenkunst, ich selbst versuchte auch zu lesen. Doch alles um mich herum war so aufregend und neu, daß ich meine Gedanken nicht sammeln konnte.
    Draußen dunkelte es. Nur auf den Stationen konnte man etwas von der Außenwelt sehen: eilige Menschen mit Koffern und Taschen, Schilder, die auf- und heruntergedreht wurden, Zugbeamte und Schaffner, überall Stimmen, die aus den Lautsprechern kamen, immer wieder hörte ich: „Bitte einsteigen“, „Zug nach Paris geht ab“, „Bitte Türen schließen“, „Trittbretter verlassen“.
    Jedesmal kribbelte es mir vor Spannung im Magen.
    Es kribbelte mir auch auf der Brust, aber da kribbelte etwas anderes: nämlich ein kleiner Lederbeutel, den Tante Birgit mir heimlich zugesteckt hatte.
    „Das bleibt unter uns, Britta“, hatte Tante Birgit gesagt. „Schau her, ich habe hundert Mark eingewechselt, es sind ungefähr einhundertzwanzig Francs. Die Tasche hängst du dir um den Hals, unter die Kleider, und vergißt, daß du das Geld hast. Verstehe mich recht: Es soll dein Reservegeld für den Notfall sein. Du weißt nicht, was passieren kann, und du sollst nicht ohne Geld sein. Rühre das Geld nicht an, um etwas zu kaufen, was dir gerade Spaß macht, oder um irgendwo Eintrittsgeld zu zahlen oder um Schokolade zu kaufen; verbrauche es nur, wenn du aus einer Schwierigkeit keinen Ausweg siehst. Versprich mir das, Britta!“
    Ich versprach es und umarmte Tante Birgit.
    Am nächsten Tag mußte ich beinahe lachen, denn da erschien Omi und steckte mir drei Zwanzigmarkscheine zu.
    „Britta“, flüsterte sie feierlich, „die kannst du in Paris einwechseln, wenn du in Schwierigkeiten kommst.“ Und dann folgten die gleichen Ermahnungen ein zweites Mal.
    Es war klar, daß keine von der Gabe der anderen wußte.
    Ich erriet auch, warum. Beide waren sie besorgt, weil sie meinen vergnügten, unpraktischen und impulsiven Vater kannten. Beide fürchteten, daß seine Unüberlegtheit uns in Schwierigkeiten bringen könnte. Beide hatten aber Vati so lieb, daß sie sich ihre Angst nicht eingestehen wollten.
    Nun, jedenfalls besaß ich einhundertzwanzig Francs und sechzig Mark, außerdem einen Beutel mit französischem Kleingeld in meiner Handtasche.
    So lieb ich Vati auch hatte, hielt ich es doch für ratsam, ihm nichts von meinem Geheimkapital zu verraten. Man konnte nicht wissen.
    Wir hatten keinen Schlafwagen. In diesem Fall zeigte Vati eine verblüffende Logik.
    „Die meisten Leute, die nachts reisen, nehmen Schlafoder Liegewagen;
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